Letzte Woche wurde "Finanzkrise“ zum "Wort des Jahres“ gekrönt. Oder war das "Wirtschaftskrise“? Ich bringe diese Begriffe immer durcheinander.
Egal. Ich möchte heute – auch wenn ich mich hier viel zu spät in Szene setze, ein ganz anderes Wort zum Wort des Jahres vorschlagen: "behumsen“.
Ich gebe zu: Diese Vokabel war mir unbekannt, bis ich vor einer Woche mit zwei Nachbarinnen ins Gespräch gekommen bin. Das Wort "behumst“ (oder war es eine flektierte Form des Verbs?) fiel, und beide Damen schienen zu verstehen, was gemeint war.
Achtung! dachte ich, unbekanntes Wort, unbekanntes Wort!
Zunächst versuchte ich mein Unwissen zu kaschieren. Das ist leider eine Schwäche von mir: die Angst, man könnte mich für blöd halten. Die Neugier war aber doch letztendlich stärker. "Was heißt ‚b’-umsen’?“ fragte ich ein bisschen verschämt, denn so klang das Wort in meinen Ohren.
"Behumsen?“ erläuterte eine der Damen (mir kam es noch immer vor wie ein "b’-umsen“). "Das bedeutet ‚betrügen’. Es hört sich aber vornehmer an als 'bescheißen’.“
"Ich habe es noch nie gehört. Wo kommt es denn her?“
"Man sagt es einfach in der Umgangsprache. Wahrscheinlich ist es Bayerisch.“
Hier irrte sich meine Nachbarin. Thüringisch vielleicht oder Sächsisch. Bayerisch nie und nimmer. In Bayern wird man zum Deppen gemacht oder ausgeschmiert oder gepratzelt. Behumst? Aber woher?
Später fragte ich Alina. Die stammt aus Thorn and er Weichsel. Auch sie kannte behumsen, meinte aber, es sei kein westpreußisches Wort. Bernd aus Berlin hatte es mal gehört, beteuerte, es sei kein Berlinerisch. Meine Schwiegermutter, ebenfalls aus Berlin, fügte hinzu, man würde auf dem Kiez eher "betuppen“ sagen. Die Nachbarin ist übrigens gebürtige Weimarin.
Nun habe ich im alten Grimm’schen Wörterbuch nachgeschlagen und konnte alles herausfinden, wonach ich suchte – nicht allerdings unter Stichwort "behumsen“, sondern bei "humsen“, was ursprünglich den gleichen Sinn hatte wie "summen“– und ganz sicher mit dem englischen "hum“ (sprich "humm“) verwandt ist. Im 17. Jahrhundert war das"„Humsen“ im deutschen Raum im Sinn von "Summen“ wohl weit verbreitet. Im "Simplicissimus“ wird, zum Beispiel, erzählt, wie einer "mit dem Maul so artlich humset und quickeliert“. Nebenbei: Ich finde "quickeliert“ eine sehr schöne Vokabel.
Weiter: Im Niederdeutschen bedeute "humsen“ "schnarchen“. Dass aus einem "Summen“ ein "Schnarchen“ wurde, ist leicht nachvollziehbar. Außerdem aber, so Grimm – und jetzt komme ich zur Pointe – wird das Wort auch im Sinne von "mausen“ gebraucht. "Mausen“ (falls Ihnen – wie mir – dieses Wort unbekannt ist) beschreibt zunächst das leise „Piepsen“ einer Maus, dann aber das stille Heranschleichen des Nagetiers. Schließlich wird es als gleichbedeutend mit "klauen“ verwendet. Vom "Humsen“ im Sinn von "mausen“ ist es freilich ein kurzer Sprung zu "behumsen“.
Aber zurück zum "Wort des Jahres“. Auch wenn ich weiß, dass ich den Mitmachetermin verpasst habe, möchte ich hiermit "behumsen“ als Wort des Jahres vorschlagen. Ich quickeliere mit meiner Dreistigkeit nicht. Was ist eine "Finanzkrise“ oder "Wirtschaftskrise“ wirklich? Es sind lediglich Endprodukte eines langen verhängnisvollen Prozesses. Ich möchte also lieber die Ursache für den Zustand als Wort des Jahres hervorheben als die Wirkung. Denn es bedarf jeder Menge "Behumser“, um eine ordentliche "Finanzkrise“ auf den Weg zu schicken.
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