Entschuldbar ist es, wenn Amerikaner so pluralisieren, doch das „Mehrzahl-S“ scheint auch unter Deutschen zusehends auf dem Vormarsch zu sein. Ist’s Ihnen aufgefallen, wie die „Banken“ immer häufiger – auch in der Zeitung – zu „Banks“ werden, die „Manager“ zu „Managers“?
Auch der „Balkon“ – so steht es längst im Duden – kann so wohl mit „Balkonen“ wie auch „Balkons“ wiedergegeben, und das gute deutsche „Muslime“ wird des öfteren mit „Muslims“ bzw. „Moslems“ vertauscht.
Nachnamen werden ohnehin im Deutschen längst mit „s“ gebildet: Die „Müllers“, die „Blumenthals“ usw.
Die deutsche Mehrzahl war nie leichtes Kost für Lernende. Sie ist, gelinde gesagt, wenig logisch, kann ja ausgesprochen ekelhaft sein.
Dieser Zustand herrschte bereits zu althochdeutschen Zeiten und gilt
ebenso dem Altenglischen, weshalb man im heutigen Englischen noch immer von „oxen“ „mice“ und „brethren“ spricht.
Warum heißt es die „Gene“ und nicht die „Genen“. „Forme“ dagegen ist falsch, „Formen“ richtig. Man hat zwei „Schwestern“, doch nie werden „Meistern“ vom Himmel fallen, und zwei „Pflastern“ lindern keinen Schmerz.
Es gibt keinen Grund für diese Konfusion außer dem Hinweis auf eine lange Sprachtradition voller Zufälle und willkürlicher Analogiebildungen.
Übrigens: Die arabische Mehrzahlbildung ist noch komplizierter als die deutsche: Ein „dukan“ (Geschäft) zwei „dakakin“; „mirfaq“ (Ellenbogen) zwei „marafiq“, ein „tabib“ (Arzt) zwei „atiba’a“.
Ein amerikanischer Kollege, damals Auslandskorrespondent in Deutschland für eine englische Wissenschaftszeitschrift, erzählte mir vor vielen Jahren, er habe von einer sprachwissenschaftlichen Theorie
erfahren, die besagt, dass die deutsche Mehrzahl langfristig ein Auslaufmodel sei. Man vermute, dass auch im Deutschen die „S“-Mehrzahl überwiegen werde – so wie im Englischen, im Französischen und im
Spanischen.
Einem Experiment an der Uni-Münster zufolge wurden Probanden lauter Nonsense-Wörter vorgeführt. Man sollte diese Vokabel mit passenden Mehrzahlformen versehen. Das Resultat: Anstatt der herkömmlichen Mehrzahlendung wählten viele Probanden ein „s“. Verständlich, wenn man bedenkt, dass man sich in der heutigen Spaßgesellschaft das Leben so einfach wie möglich gestalten will.
http://spzwww.uni-muenster.de/~griesha/spw/mrf/plu-koepcke88.html
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