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Lob der Auslobung

Ich bin stocksauer, weil gestern Abend ein flüchtiger (besser gesagt „verfluchter“) Idiot meinen ordnungsmäß geparkten Motorroller umgeworfen hat – einfach so. Zack weg! Beinschild zerkratzt, komische Geräusche beim Fahren. Am liebsten hätte ich gleich eine Belohnung ausgelobt, um den anonymen Missetäter dingfest zu machen.

Doch kaum hegte ich Fantasien über eine bundesweite Fahndung nach diesem Unhold, die ich nach wie vor begrüßen würde, so begann ich über den Wortschatz nachzudenken, den ich für dessen ersehnte Festnahme zusammengereimt habe: „Belohnung“, „Auslobung“, „Missetäter“ und „dingfest“ – alles Wörter aus der Rechtsprache eines früheren Zeitalters. „Dingfest“ bezieht sich sogar auf das „Thing“, die Jahresversammlung der germanischen Stämme, wo Recht gesprochen wurde.

Noch kurioser aber ist das „Ausloben“. Hier hat man mit einer ganzen Wortfamilie zu tun: „loben“, „ausloben“, „verloben“, „geloben“, „wegloben“, „fortloben“. Auf einmal wurde meine Neugierde über die Sprachgeschichte noch stärker als mein Verlangen nach der grausamen Bestrafung des Rollerschänders. Ich schlug in meinem „Kluge – etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ nach und entdeckte Überraschendes: „Loben“, Patriarch (oder Matriarchin) dieser Wortfamilie, ist nach neueren Forschererkenntnissen mit „Laub“ verwandt. Jemanden zu „loben“ bedeutete – wohl zu germanischen Zeiten – ihn mit Zweigen als Symbol der Ehre zu beschmücken oder ihn zu beschenken. Eine nette Vorstellung.

Demnach ist eine „Auslobung“ in Wirklichkeit ein feierlicher Schwur, den pflanzenmäßig geziert wird. Bei „ver- und geloben“ kann man sich Ähnliches ausdenken.

Ich bin aber Realist. Wortgeschichten zu schreiben, ist letztendlich eine Kunst und keine Wissenschaft. Es erfordert ein ausgeprägtes Fantasievermögen. Ich erwähne dies, weil ich auch eine zweite, ganz andere Etymologie für das „Loben“ entdeckte. Diesmal wurde es in die Nähe von „erlauben“, „Verlaub“, „Urlaub“ und ja… der „Liebe“ gerückt. Die Urbedeutung des Wortstamms soll demnach so etwas wie „genehm“ oder „angenehm“ sein.

Ich persönlich mag die Geschichte mit den Zweigen viel lieber. Sie ist bildlich. Und ich wünsche mir, dass der Unhold, der meinen Roller beschädigt hat, die nächsten zwei Jahre in einem Baum sitzt, um diese Zweige einzusammeln.

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