Sch! Leise Töne sind hier gefragt. Wir begeben uns in die Wortschatzentbindungsstation. Selbst wenn dieser Begriff alles andere als elegant klingt, weist er auf ein wichtiges Sprachphänomen: die Geburt eines Wortes. Jawohl, neue Wörter entstehen am laufenden Band, wie die Sterne.
Und glauben Sie mir: Diese Frischlinge haben es beileibe nicht einfach. Ihnen stehen weder Schutzimpfungen noch Krankenkassenvorsorge zu, die ihnen zu einem langen Leben verhelfen. Sie überleben nur, wenn sie viel Zuwendung erhalten oder Glück haben.
Ich komme auf diese Gedanken, weil ich gestern in der International Herald Tribune in einem Artikel über die wachsende Bedeutung des Internets im Kunstgeschäft Folgendes gelesen habe: "People have begun using JPEG as a verb: JPEG me at work.“ "JPEG“, (sprich "Dschäjpegg“) wird also im Englischen seit kurzem als Verb verwendet. "Joint Phographic Experts’ Group“. So der Ursprung des neuen Wortes. Als Nomen kennt man es im Deutschen schon lange. Im Zeitalter der Digicam genießt es sogar eine richtige Beliebtheit, obwohl "das“ (sicherlich kein "der“ oder "die“) "Dschäjpegg“ den Ruf unter Computerkoryphäen eines "lossy“ Prozesses hat. "Lossy“, selbst ein Wortbaby, ist Techenglisch für "mit Qualitätsverlust behaftet“. Ein "JPEG“ gibt nie die Qualität des Originalbilds wieder.
"Dschäjpeggen“, JPEG als Verb also, ist meines Erachtens noch kein deutsches Wort. Aber könnte sicherlich eins werden. Momentan mache ich mir aber Gedanken über die Überlebenschancen dieser Vokabel überhaupt. Ist JPEG ein neugeborener Stern oder bloß Sternschnuppe – wie einst "Draisine“.
Noch nie von "Draisine“ gehört? 1817 hat Freiherr Karl-Friedrich Drais von Sauerbronn das erste Fahrrad erfunden. Es war kein Fahrrad im heutigen Sinn. Man setzte sich rittlings drauf und schob mit den Füßen kickbrettartig, um voranzukommen. Sein Name dafür war "Laufmaschine“, alle Welt bezeichnete die clevere Erfindung als "Draisine“ – wahrscheinlich eine Mischung aus "Drais“ und "Maschine“. Bis 1825 war es um die "Draisine“ ganz still geworden. Das Wort "Fahrrad“ ist erst 1885 entstanden.
Ich schlage vor, wir überwachen das "JPEG“ eine Zeitlang, um seine Zukunftschancen besser zu beurteilen. Wer weiß, welches "unlossy“ Verfahren das JPEG eines Tages ablösen wird?
Nebenbei: Das "SMSen“ (oder schreibt man dieses Ungeheuer endlich als "simsen?“) war auch vor kurzem auf der Wortschatzentbindungsstation entstanden. Hat es Chancen erwachsen zu werden? Und was ist mit dem "googeln“?
Fortsetzung folgt…
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