Wenn ich so klug gewesen wäre wie Kollege Alfred Winslow Jones, dann würde ich diesen Text nicht schreiben, sondern ihn am WLAN-Notebook neben dem eigenen Swimmingpool als nichtschreibender Privatmann lesen und mich dabei köstlich amüsieren.
Noch nie vom Kollegen Jones gehört? Er ist 1989 mit 88 Jahren gestorben, als das Wort "Notebook“ noch immer ein Fremdwort war. Während der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts wirkte er als Herausgeber der US-Zeitschriften "Time“ und "Fortune“. Nicht deswegen ist er aber heute bekannt, sondern weil er 1949 den ersten "Hedge-Fond“ gründete.
Wissen Sie, was ein "Hedge-Fond“ (Englich "hedge fund“ – "hedge“ bedeutet "Hecke“) ist? Das Wort bezeichnet eine – meist ausländische – Investitionsfirma, die andere Firmen aufkauft, auf Vordermann bringt, um sie dann mit sattem Gewinn wieder zu verkaufen. Die "Hedge-Fonds“ kommen in Verruf, weil die Sanierung der aufgekauften Firmen manchmal Scharen von Arbeitslosen hinterläßt.
Kollege Jones war Ziehvater dieser Investitionsart. Heute zählt man 900 von ihnen auf der Welt. Sie verfügen über 1400 Milliarden Dollar. Viele Rentenanstalten, Versicherungen und Banken investieren ihr (d.h. unser) Geld in "Hedge-Fonds“, um eigenes Kapital zu vermehren.
Warum erzähle ich Ihnen von "Hedge-Fonds“? Weil ich neugierig war, warum sie eigentlich diesen einen Garten heraufbeschwörenden Namen tragen. Jetzt habe ich erfahren, dass der Begriff die Erfindung einer amerikanischen Journalistin, Carol J. Loomis war. 1966 verfasste sie einen Artikel über Kollegen Jones, "The Jones That Nobody Can Keep Up With“, in der Zeitschrift "Fortune“. Nota bene: Beim Titel handelt es sich um ein Wortspiel. "Keeping up with the Joneses“ bedeutet auf Englisch "es den Nachbarn gleichtun“.
So weit so gut. Dennoch verstehe ich immer noch nicht, warum Frau Loomis den Namen "hedge fund“ für diese Art Investitionsfirma wählte. Denn der "Hedge-Fond“ ist in Wahrheit weder eine "Hecke“, also eine "Umfriedung“ zu Zwecken der (finanziellen) Absicherung, noch ein richtiger "Fond“. Er ist, wie gesagt, eine reine Investitionsfirma. Der Name ist also so passend wie die sprichwortliche Faust aufs Auge, ist somit würdiger Anwärter des begehrten "Leberkäse-Preis“. Wie jeder weiß, befindet sich in diesem leckeren Fleischgericht weder Leber noch Käse.
Und noch eine Bemerkung zu den "Hedge-Fonds“. Vor zwei Jahren prägte Politiker Franz Müntefering den Begriff "Heuschrecken“ als Beschreibung der Heckenfondanbieter. Man sieht das Bild plastisch vor den Augen: Einen Überfall gefräßiger Tierchen, die alles kahl fressen, bevor sie gesättigt weiter ziehen. Herr Münteferings Darstellung ist wirklich sehr einprägsam. Leider ist sie sprachlich ungenau. Die "Heuschrecke“, auch "Grashüpfer“ genannt, ist kein kahlfressender Plagegeist. Vielmehr meinte der Vize-Kanzler "Wanderheuchrecken“. Nebenbei: Die "Schrecke“ in "Heuschrecke“ hat gar nichts mit einer "Gemütserschütterung“ zu tun wie im heutigen Deutsch. Früher bedeutete "schrecken“ nichts anders als "springen“.
Wie dem auch sei. Die "G7-Länder“ haben das Phänomen der "Hedge-Fonds“ neuerdings ins Visier genommen. Wenn sie eine einvernehmliche Lösung zum Problem finden, denken Sie daran, dass Sie längst alles darüber erfahren haben beim Sprachbloggeur.
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