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Prall mit Günther und Immanuel

Ich habe lange überlegt, ob ich eine Glosse über die Drogensprache schreiben sollte. Ich zögerte, weil ich niemandem den falschen Eindruck vermitteln wollte, als würde ich den Konsum von Drogen billigen. Ich billige ihn nämlich nicht, weil ich der Meinung bin, dass das Leben ausreichend Abenteuer bietet (und die eigene Fantasie erst recht), auch ohne Chemikalien – ob künstlichen oder natürlichen Ursprungs – , die außergewöhnliche Bewusstseinszustände hervorrufen.

Zudem: Der deutsche Wortschatz kommt mir – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – recht dröge vor. Übrigens: "Dröge“ und "Droge“ sind (wie man beinahe erwarten würde) etymologisch verwandt. Beide entstammen einem niederdeutschen Wort, das "trocken“ bedeutet. Die "Droge“ bezeichnete ursprünglich – so jedenfalls „Duden“ – jede „trockene Ware“. (Im Englischen ist noch heute die Rede von "dry goods“). Später gebrauchte man das Wort nur im Bezug auf Medikamente – unter ihnen befanden sich auch berauschende Medikamente.

Wie gesagt: Das meiste, was sich "deutscher Drogenwortschatz“ nennt, kommt mir ziemlich armselig vor. Denn es handelt sich häufig nur um Lehnwörter aus dem Englischen. Zum Beispiel "stoned“ (d.h.: mit der Wahrnehmungskapazität eines "Steins“), "high“ (in einem künstlichen "Höhenflug“), "bashed“ ("zerschmettert“) "bombed“ ("zerbombt“). Übrigens: Auch im Englischen ist der Drogenwortschatz nicht gerade berauschend. Alle oben aufgeführte Wörter hat man früher verwendet, um den körperlichen und geistigen Zustand eines Betrunkenen zu schildern. Fakt ist: Der Drogenkonsum wurde erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Massenvergnügen und von daher wortschatzbedürftig. Drogen, und damit meine ich hier nur Cannabis und Haschisch, waren in der Zeit vor 1960 – zumindest in den USA – hauptsächlich in afroamerikanischen Kreisen und unter Jazzmusikern anzutreffen. (Über Kokain, Heroin, "Speed“, "Ecstasy“ usw. zu erzählen, führt mich kulturgeschichtlich zu weit – vielleicht ein anderes Mal). Als die rebellischen, mittelständischen weißen Jugendlichen der frühen 60er Jahre diese Drogen entdeckten, brauchten sie selbstverständlich einen passenden Wortschatz dafür, um ihre neuen Erlebnisse anderen erkenntlich zu machen. Der Alkoholwortschatz war natürlich naheliegend. Nur im Bereich des LSD – einer Schweizer Erfindung der 50er Jahre – kamen neue Wörter notgedrungen zustande, um diesen etwas anderen Rauschtypus zu beschreiben. Man nannte ihn mit Vorlieb einen "Trip“ (eine "Reise“) oder wenn einem der "Trip“ nicht ganz bekam, einen "bumtrip“ usw. Bei bestem Willen hätte kein Besoffener seinen Schwipps als "Trip“ bezeichnet.

Im Deutschen gibt es – anders als im Englischen – (mindestens) zwei Wörter, die für den Cannibiskonsum ausschließlich reserviert sind und weder aus dem Englischen noch aus der Alkoholsprache stammen: "bekifft“ und "prall“. Die scheinen in der Tat Neuerfindungen zu sein – vor allem "prall“. "Kiff“ so behauptet Herr Küpper ("Worterbuch der deutschen Umgangsprache“) taucht erst gegen 1960 in Deutschland auf (wohl, so Duden, aus dem Arabischen "kaif“, "Wohlbefinden“).

Der "Cannibis“ selbst (Dieses Wort ist übrigens etymologisch mit "Hanf“ verwandt) wird im Deutschen "Zeug“, "Shit“, "Dope, "Weed“ "Gras“ genannt – alles eigentlich langweilige englische Entlehnungen, die – dank MTV usw., so nehm ich jedenfalls an, in die deutsche Popsprache aufgenommen wurden). "Zeug“ ist übrigens die deutsche Übersetzung fürs englische "Stuff“ und bezog sich ursprünglich auf Heroin. (Die Cannabissprache heroisiert aber gerne mit Wörtern aus dem Bereich der Drogensucht). Haschisch, der in abgebrochenen Stückchen verkauft wird, nennt man wegen der eckigen Form "Kanten“. Wenigstens das ist Originaldeutsch.

Dennoch habe ich meine Lieblingsbegriffe in der deutschen Cannabissprache gefunden. Man sagt: "Kommt der Günther mit?“ oder "Ist der Immanuel dabei?“ Mit "Günther“ ist, selbstredend, "Gras“, mit "Immanuel“ – was sonst? – "Kant“ – bzw. "Kant(en)“ gemeint. Hübsch, nicht wahr?

Natürlich habe ich dieses Thema noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn man älter wird, besteht die Gefahr, dass man sich leicht lächerlich macht, wenn man behauptet, viel über gewisse Dinge zu wissen.

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