Heute Deutsch für Fortgeschrittene. Unser Thema: der "Affenzahn“. Wobei ich nicht ans Beißwerk unserer allernächsten darwinischen Verwandten, den AFFENzahn, sondern vielmehr an den geschwindigkeitsbezogenen AffenZAHN denke.
Für Sie, liebe Leser, liebe Leserinnen, ist diese Beschleunigungsvokabel eine Sinnesselbstverständlichkeit. Sie sind Deutsche. Versetzen Sie sich aber in meine Lage. Das erste Mal, als jemand in meiner Gegenwart sagte, er sei "mit einem Affenzahn davongedüst“, habe ich sogleich verstanden, was gemeint war. Das Warum hat mir aber ziemlich zugesetzt. Das mit dem "Affen“ konnte ich irgendwie nachvollziehen: Das Bild vom putzigen Äffchen, das sich husch aus dem Staub macht, kam mir logisch vor – auch wenn wir im Englischen nichts Vergleichbares anzubieten haben. Aber der "Zahn“? Was haben Zähne“ mit Schnelligkeit zu tun?
"Zahn“ im Sinn von "Mädchen“ oder "Freundin“ kannte ich schon längst. Ich hatte nämlich einem erzählt, ich hätte Zahnweh, woraufhin der Witzbold antwortete, "Frauenprobleme, was?“ Aber "Zahn“ und "Geschwindigkeit“?
Heute werde ich das Geheimnis des "Affenzahns“ endlich lüften.
Zunächst aber ein kleiner Abstecher im Bereich des anderen "Zahns“. Das heißt, ich möchte Ihnen etwas weitergeben, das ich in Küppers "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ entdeckt habe. Küppers entschlüsselt in seinem schlauen Nachschlagwerk die Öffnung des berühmten Mackie-Messerlieds aus der "Dreigroschenoper“. Sie wissen schon: "Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht“. Es stellt sich heraus, dass dieser Satz reinstes Rotwelsch, sprich: alte Gaunersprache, ist. "Haifisch“ leitet Küppers vom Jiddischen "cheifiz“, "Zuhälter“, und "Zahn“ vom Jiddischen "sona“, "Hure“, ab. Zu Deutsch heißt dieses doppelsinnige Lied also: "Und der Zuhälter, der hat Mädchen, und die hält er unter Aufsicht“. Man lernt sich nie aus.
Aber zurück zu unserem "Zahn“. Frage: Was hat der "Zahn“ mit "Geschwindigkeit“ zu tun? Antwort: Nur ein Mensch des 21. Jahrhunderts käme auf die Idee, diese Frage zu stellen. Wer ein Auto um das Jahr 1910 ergattert hat, kann sich vielleicht erinnern, dass man mittels eines Hebels am Lenker den Wagen beschleunigte. Dieser Hebel war an einer Zahnradradvorrichtung verlinkt. Wollte der Autolenker schneller fahren, so schaltete er den Hebel jeweils einen Zahnradzahn höher um. "Noch einen Zahn mehr!“ kreischten die entzückten Passagiere um das Jahr 1920. Damals hat man noch nicht auf die Tube gedrückt.
Und der "Affe“? Dieses Wort kann für die deutsche Sprache bereits in der althochdeutschen Zeit belegt werden. Es handelt sich aber freilich um ein Lehnwort, vielleicht aus einer semitischen Sprache. Denn im indogermanischen Stammgebiet gab’s keine Affen.
Schon um das Jahr 1500 verwendete man dieses Wort in der Bedeutung von einem "dummen Menschen“, weil man vermutete, dass diese selten gesichteten Tiere tolpatschig wären. Obendrein glaubte man, dass Affen stets betrunken seien und nur noch herumtaumelten. Also bekam das Wort die Nebenbedeutung von "Rausch“. Man sagte etwa: "Er hat einen Affen“. Und weil Affen flinke Geschöpfe sind, wurden sie nach und nach in Zusammenhang mit Geschwindigkeit gebracht. Bereits im 19. Jahrhundert benutzte man den Ausdruck "affenähnliche Beweglichkeit“ im Sinne von "Schnelligkeit“.
Doch das Schlusselereignis für unsere Suche nach dem "Affenzahn“ kann man genau orten. Es fand am 18. Juni 1866 statt. An diesem Tag verwendete der österreichische Journalist August Krawani in der "Wiener Presse“ zum ersten Mal – analog zu "affenähnliche Beweglichkeit“ – den Ausdruck "affenartige Geschwindigkeit“. Schnurstracks wurde diese bildhafte Formulierung zu einem beliebten Schlagwort. Und bald wurde "affenartige Geschwindigkeit“ adjektivisch zu "affen…“ gekürzt. Das Übrige ist schnell erzählt: Der "Affe“ und der "Zahn“ haben – wohl um das Jahr 1930 – zueinander gefunden. Bis heute leben sie in einer glücklichen Ehe.
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