Heute lehne ich mich so weit aus dem Fenster, dass ich, sollten mir keine Flügel wachsen, zu einem unsehnlichen Haufen auf dem Boden der Tatsachen werden könnte.
Obiges meine ich freilich im übertragenen Sinn. Ich will damit nur sagen: Ich lasse mich auf ein Risiko ein, und ein Scheitern ist jederzeit möglich. Denn ich habe vor, Ihnen ein paar Gedanken über Metaphern mitzuteilen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Wenn Sie wahrhaftig fundiertes Wissen zu diesem Thema suchen, so finden Sie es selbstverständlich nicht in diesem Text. Dafür kann ich Ihnen mit gutem Gewissen den ausführlichen Wikipediabeitrag empfehlen. Er ist wirklich gut, und ich habe nicht den Anspruch, mit ihm zu wetteifern.
Ich jedenfalls komme auf die Idee, Bescheidenes zu diesem Thema zu veröffentlichen, wegen eines albernen Ereignisses, das sich gestern Abend bei mir zuhause zugetragen hat. Es ging um Datteln – auf Englisch "dates“. Ich mag keine Datteln, wirklich nicht, die klebrige Süße der Datteln sagt mir einfach nicht zu. Als mir eine Dattel angeboten wurde, antwortete ich – zugegeben halb ironisch – , "Dates are not my cup of tea“. Zu Deutsch: "Datteln sind nicht mein Bier“.
Sogleich erkannte ich, dass ich eine sehr ungelungene Metapher formuliert hatte. Wer zu faul ist, Wikipedia zu konsultieren, erlauben Sie mir an dieser Stelle eine eigene, etwas dürftige Definition des Wortes "Metapher“ vorzutragen. Eine "Metapher“ ist eine Sinnesübertragung mittels der Bildersprache. Das heißt: Man ersetzt eine einfache Aussage mit einem Wortbild. Alles klar? Am Anfang dieser Glosse haben Sie bereits ein gutes Beispiel gelesen. Ich habe geschrieben, dass ich mich "aus dem Fenster lehne“. Sie haben diese Redewendung bestimmt nicht wörtlich verstanden. Sie haben sofort erkannt, dass ich damit sagen wollte, "ich riskiere etwas“ und dass ich dies durch ein etwas dramatisches Bild ausgedrückt habe. Auch das mit dem "Flügeln wachsen“ ist eine Metapher. Mit diesem Bild wollte ich nur sagen: "wenn mir nichts einfällt“. Ebenso sind „Boden der Tatsachen“ und "unsehnliche Haufen“ Metaphern.
Der Gebrauch von Metaphern ist uralt. Ob in der ältesten griechischen Literatur, der Bibel (zum Beispiel, das Bild von der Erde als "Gottes Schemel“) wimmelt die antike Literatur von Metaphern. Ich habe nicht extra geschaut, bin aber überzeugt, ich würde schnell einige Beispiele in der sumerisch geschriebenen Gilgamesch-Geschichte aus dem 4. vorchristlichen Jahrtausend aufklauben. Die Metapher als Analogiebildung ist sicherlich ein fester Bestandteil unserer "Kommunikationssoftware“. Der Mensch ist ohnehin viel besser ausgerüstet, Metaphern zu erfinden als jeder Computer.
Aber zurück zu meinen "Datteln sind nicht mein Bier“. Vielleicht ist Ihnen hier etwas aufgefallen: "Datteln sind nicht mein Bier“ vermengt zwei ganz unterschiedliche Bilder, einmal "Datteln“, einmal "Bier“, die nicht das geringste miteinander zu tun haben. Diese Metapher wirkt also unlogisch. In Englisch nennen wir einen solchen metaphorischen Kuddelmuddel eine "mixed metaphor“. Ich kenne den deutschen terminus technicus leider nicht. Ein hastiges Googeln erbrachte lediglich "gemischte Metapher“ (klingt wie ein "Salat“) und "Bildervermengung“. Ich zweifle aber, ob diese Begriffe geläufig sind.
Egal: Ich möchte nur sagen: Als ich in der Schule war, galt die "gemischte Metapher“ als verpöntes Stilmittel. Das war aber damals. Seit sieben Jahren aber schreiben wir das 21. Jahrhundert. Die strenge der Harmoniklehre und der Farblehre anderer Jahrhunderte sind längst zersprengt worden. Warum auch nicht die Grenzen des sprachlichen Stils?
Ich sage Ihnen warum nicht: "Datteln sind nicht mein Bier“ klingt dumm, einfach dumm, so dumm wie "Der Löwe war ins Abseits geraten, als der Jäger ihn endlich zur Strecke gebracht hat.“ Fußball und Jagen? Hmmm.
Aber bitte. Ich bin kein Dogmatiker. Wenn Sie meinen, eine Metapher besticht – und das tun gelegentlich auch die "gemischten“ – , dann bitteschön. Für manche ist das Versmischen der Metaphern eine bodenlose Freude.
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