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Darf ich vorstellen: Die Familie Paletti

Die "Paletti-Familie“ ist keine italienische Artistensippe, und auf keinen Fall geht es hier um Mafiosi.

Zugegeben: "paletti“ klingt italienisch, ist aber nicht. "Paletti“ ist nicht die Mehrzahl einer Vokabel "Paletto“. Außerdem: "Paletti“ wird nie in den Genuss eines eigenen Artikels kommen. "Paletti“ kennt man in der deutschen Sprache nur in einem einzigen Idiom: "Alles Paletti“, sprich "Alles okay“.

Was ist denn "paletti“?

Manche leiten das Wort von der "Palette“, ursprünglich einem flachen – meist hölzernen – Untersatz, ab. "Palette“ ist ebenfalls die gängige Bezeichnung für die flache, handliche Scheibe, die einem Kunstmaler als "Farbmischpult“ dient. Wegen der Idee der Farbvielfalt wird "Palette“ auch im Sinne von "Vielfalt“ gebraucht. Demnach wäre "alles paletti“ eine Kurzform für "alles-ist-glatt-wie-eine-Palette-vonstatten-gegangen“.

Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass diese Etymologie stimmt.

Das Plausibelste, was ich über "alles paletti“ gefunden habe, steht in Lutz Röhrichs "Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“. Er tippt auf eine hebräische Herkunft: "p’leta“: wörtlich "Entrinnen“, "Rettung“ oder "Überbleibsel“. Es gibt viele hebräische Wörter im Deutschen (z.B.: "Kluft“, "mause“-tot, "mies“, "Kies“ – ich werde sie heute nicht näher erläutern). Sie sind über das "Rotwelsch“, sprich: Gaunersprache, ins Deutsche gelangt. (Übrigens: Ein „Gauner“ ist wörtlich ein "Ioner“ – ein Grieche also. Vor 300 Jahren galten alle Nichtdeutschen als vertrauensunwürdig, kriminell sogar).

Aber zurück zu der Familie "Paletti“, die eigentlich "Familie P’leta“ heißen soll. Ich sage hier "Familie“, weil sich dieses Wort dreimal in der deutschen Sprache verewigt hat. Noch bekannter als "paletti“ taucht es als – Sie haben es bestimmt schon erraten – "pleite“, "finanziell ruiniert“ auf. Was hat ein Bankrott mit einer "Rettung“, oder einem "Überbleibsel“ zu tun? Ganz einfach: "Ich bin pleite“ bedeutete ursprünglich "Ich habe nur noch einen letzten kargen Rest übrig“.

Und jetzt zum dritten Familienmitglied. Dieses fällt allerdings nicht sogleich als Fremdwort auf. Denn es hat sich trotz seines "Migrantenhintergrunds“ sehr geschickt in der deutschen Sprache assimilieren können. Die Rede ist von "flöten gehen“. Ich weiß: Man denkt spontan an einen Flötisten, der sein letztes Lied gepfiffen hat. Immerhin erinnert "flöten gehen“ an "aus dem letzten Loch pfeifen“ (siehe dazu den Kommentar von Stephan Falk vom 27. November). Man irrt sich aber: In Wirklichkeit sind "Pleite gehen“ und "flöten gehen“ richtige Zwillinge. Möglich ist, das ein deutsches Ohr vor etlichen Jahrhunderten aus Ersterem durch ein Missverständnis Zweiteres gemacht hat. (Gleiches passierte übrigens mit dem Westjiddischen "Zaures“, sprich "Ärger“. Fürs deutsche Ohr klang dies wie "Saures“. "Gib ihm Saures“ ist, genauer gesagt, "Gib ihm Zaures“).

Alles paletti? Vielleicht fragen Sie sich, wieso "alles paletti“ heute im Sinne von "okay“ gebraucht wird, wenn seine "Geschwister“ ausschließlich mit dem "Bankrott“ verknüpft werden. Die Antwort liegt auf der Hand: "P’leta“ bedeutete ursprünglich "Rettung“. Wenn man "Alles paletti“ sagen kann, dann hat man gottlob einiges retten können.

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