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Elbisch für Anfänger

Sprechen sie Elbisch? Ich leider nicht. Aber jetzt hätte ich die Möglichkeit, mir diese Sprache, besser gesagt, diese Sprachen – denn es handelt sich um zwei verschiedene Sprachen, das "Quenya“ und das "Sindarin“ – beibringen zu lassen. Ich habe nämlich ein faszinierendes Buch entdeckt: "Elbisch: Lern- und Übungsbuch der Elben-Sprachen“. Autor ist der Anglist und begnadete Fantast Helmut W. Pesch.

Die "elbischen“ Sprachen sind eine Erfindung des berühmten Anglistikprofessors J.R.R. Tolkien und werden in seinen "Ringbüchern“ von verschiedenen elfischen Bevölkerungen, die seine "Mittelerde“ bewohnen, gesprochen.

Ich habe "Herr der Ringe“ und Co. nie gelesen. Nicht aus Gründen der Geringschätzung. Auch "Krieg und Frieden“ habe ich noch nicht gepackt. Der Tag hat leider nur 24 Stunden.

Helmut W. Pesch hat die von Tolkien ausgedachten "elbischen Sprachen“ in zwei Büchern, einer Grammatik und einem Übungswerk, mit lobenswertem Fleiß systematisiert. Hut ab.

Ich bin dem Autor ganz persönlich dankbar für seine Bemühungen. Denn: Nachdem ich sein Übungsbuch durchblättert hatte, ist mir klar geworden, dass ich ein eigenes Projekt wohl ein für allemal ad acta legen kann. Jahrelang träumte ich davon, eine eigene Sprache zu erdichten. Ich hätte sie als eine von mir persönlich jüngst entdeckte verschollene bzw. unbekannte Sprache präsentiert. Meiner Fiktion zufolge wäre ich auf einer Wanderung durch das Engadin in einem abgelegenen Bergdorf auf ein Überbleibsel einer antiken Sprache gestoßen, die, so dachte ich, mit dem Etruskischen verwandt zu sein schien.

Ich wollte meinen kunstvollen Betrug in die Form einer Grammatik mit Übungsbuch gießen und hatte vor, eine ganze Literatur für meine Fälschung zu erfinden – komplett mit Glossar für den Lernenden versehen. Ich stellte mir vor, meine Leser könnte sich mit diesem Werk lange beschäftigen – quasi als Spiel oder Tüftelei.

Ich habe dieses Buch nie geschrieben, und jetzt weiß ich endgültig, dass ich es nicht schreiben muss. Die Herren Tolkien und Pesch waren schon vor mir da. Noch eine neue, erfundene Sprache braucht die Welt wirklich nicht.

Ich kann Ihnen in dieser kurzen Glosse kaum eine konkrete Vorstellung von den Sprachen (und den exotischen Schriften) der Tolkien’schen Elben vermitteln. Schauen Sie selbst unter www.elbisch.info. Dort finden Sie alles darüber, was das Herz begehrt. Ich ahne aber, dass sich Tolkien – zumindest in der Grammatik seiner elbischen Sprachen vom Altenglischen inspirieren ließ. (Er war nämlich Expert auf dem Gebiet des frühen Englischen). Das stelle ich fest, weil mich die Beugung der Nomen ans Angelsächsische erinnert, d.h., neben den vier Fällen, die man auch im Deutschen kennt, gibt es im Elbischen und im Altenglischen ein "Instrumental“, einen Fall, das das "Mittel“ ausdrückt. Etwa: "Er öffnete die Tür mit (vermittels) Kraft“. Auch das Verbalsystem spiegelt eher das germanische Model als das komplizierte lateinische oder griechische wider.

Wer sich mit dem "Elbischen“ ernsthaft beschäftigen will, kommt jedenfalls sicherlich auf seine Kosten. Obendrein wird ihm als Mitglied einer esoterischen Sprachgemeinde die Aufgabe beschieden, den bescheidenen Wortschatz dieser zwei Sprachen eingehend zu modernisieren. Wie sagt man "MP3-Player“ auf Sindarin und Quenya? Wie flucht man? Gibt es bereits Schweinkram auf Elbisch? Wie schaltet man im Auto vom 3. in den 4. Gang? Und so weiter.

Ich jedenfalls werde nicht zu den Elbischsprechenden zählen. Und dank Herrn Tolkien und Herrn Pesch muss ich meine eigene Sprache nicht mehr kreieren. Wenn ich genügend Zeit für eine neue Sprache hätte, würde ich ohnehin lieber meine dürftigen Kenntnisse des Russischen, des Tschechischen und vielleicht auch des Polnischen vertiefen.

Aber bedenken Sie, liebe Elbenfans: "I aiwe carne linda lisse líre“. Zu Deutsch (aus dem Quenya): “Der rote Vogel singt ein süßes Lied.“

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