Kennen Sie den Amerikanismus "out of the loop“? Er bedeutet so etwas wie "nicht auf dem Laufenden sein“. Diese Redewendung ist unter "pol pros“, das heißt, Menschen, die professionell mit der Politik zu tun haben, äußerst beliebt. "Loop“, wörtlich "Schlaufe“ ist der Name der Ringstraße in der US-Bundeshauptstadt Washington. Wer "out of the loop“ ist, befindet sich also weitab vom Mittelpunkt des politischen Geschehens.
Mir fiel diese Redewendung ein, weil ich vorgestern feststellte, wie sehr ich "out of the loop“, bzw. "auf dem Mond“ bezüglich Hape Kerkeling bin.
Hier meine Beichte: Bis ich am Wochenende in der amerikanischen (!) Zeitung "Herald Tribune“ über diese sehr schillernde Figur aus der deutschen Unterhaltungsindustrie gelesen hatte, war mir dieser Name völlig unbekannt.
Verzeihung, Hape.
Schuld daran ist die Tatsache, dass ich täglich höchstens 15 Minuten fernsehe (Zwölfuhrnachrichten) – und dies nur Montag bis Freitag. Während ich meine Nase in andere Interessen steckte, machte (und macht) Hape eine glänzende Karriere als Fernsehkomiker.
Darüberhinaus – und jetzt komme ich zur Hauptsache – hat er 2006 einen Bestseller, "Ich bin dann mal weg“, geschrieben, der sich, so habe ich aus der "Herald Tribune“ erfahren, beinahe dreimillionenmal verkauft hat. Hut ab. Wenn meine Bücher nur ein Zehntel dieser Auflage hätten, wäre ich mehr als zufrieden.
Ich komme auf Hape Kerkeling zu sprechen, nicht weil sein Buch sich gut verkauft, sondern weil mir meine Frau erzählt, dass bei ihr im Büro "ich bin dann mal weg“ längst zu einem geflügelten Wort geworden ist. "Das sagt man, wenn man seinen Platz kurz verlässt“, klärt sie mich auf.
Der spritzige Titel eines offenbar sehr schönen Buches über eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela hat sich also nach kurzer Zeit in eine Redewendung verwandelt, die vielleicht einmal so gebräuchlich werden könnte wie "out of the loop“.
Gleich fiel mir ein Fernsehspot von vor 15 oder 20 Jahren ein: eine Reklame für Branntwein (die Firma verrate ich nicht). Fein herausgeputzt stand vor der Kamera eine bekannte Figur aus dem damaligen öffentlichen Leben– ich habe den Namen leider vergessen –, einen Cognacschwenker in der Hand, und sagte, "Man gönnt sich ja sonst nichts.“ Diesen pfiffigen Spruch mimte damals jeder – manchmal allerdings in einem höchst ironischen Sinn, aber immerhin. Und heute? Heute ist er fast aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden, "out of the loop“, sozusagen. Bescheidene 681 Treffer fand ich bei Google.
Oder nehmen sie das Beispiel der amerikanischen Schauspielerin Clara Bow (1906-1965). Sie spielte 1927 die Hauptrolle in einem Film "It“ und erhielt deshalb den Spitznamen "the 'It' girl“ – das heißt: Sie war im Besitz einer Qualität, die man gerne "ES“ nannte. Mehrere Jahre wurde sie als "It girl“ bezeichnet, und dann war allmählich Ruhe.
Und wer kann sich noch an die "Häschenwitze“ erinnern? Vor etwa 30 Jahren brauchte man nur "hatdu Möhren“ zu sagen, und alle lachten oder zumindest schmunzelten.
Worauf will ich hinaus? Nein, heute keine Meditation über die Vergänglichkeit. Es geht vielmehr um die Unberechenbarkeit der Sprache.
Denn keiner weiß im Voraus, was zum festen Bestandteil der Sprache und was letztendlich vergänglich sein wird. Denken Sie an das "Hornberger Schießen“, eigentlich der Inhalt einer schwäbischen Schelmengeschichte aus dem 17. Jahrhundert. Die Geschichte ist längst vergessen, der Spruch gedeiht prächtig bis heute. "Himmelfahrtskommando“, ein ironischer Begriff aus dem Ersten Weltkrieg, hat ebenfalls nichts von seinem Zauber verloren.
Genug für jetzt. Ich bin dann mal weg.
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