"Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“
So lautete heute mein höchstpersönlicher Cyber-Glücksspruch. Ich habe ihn nach einer kurzen Internetsuche unter dem Begriff “Glückskekse“ (www.dein-glueckskeks.de/glueckskeks-spruch.php) entdeckt. Für dieses Stichwort fand ich übrigens 118.000 Einträge im Internet. Das ist erstaunlich und kann nur bedeuten, dass die "Glückskekse“ in Deutschland heftig auf dem Vormarsch sind.
Falls es überhaupt jemanden gibt, für den "Glückskeks“ noch immer ein Fremdwort ist, hier eine kurze Beschreibung: Es handelt sich um ein süßes, sprödes Weizengebäck in Form eines hohlen Hörnchens oder vielleicht eines Fötusses. Bricht man es auf, findet man ein Papierbändchen im Inneren des Kekses, das mit einem Spruchband versehen ist. Etwa: "Die Natur ist der vorgtrefflichste Lehrer“ oder "Willst Du etwas wissen, so frage den Erfahrenen und nicht den Gelehrten.“ Man darf diese Sprüche bewerten, wie man will.
Wenn wir Amerikaner "Chinesisch“ essen gehen, rechnen wir stets mit Glückskeksen. Sie werden meistens zeitgleich mit der Rechnung serviert. Jeder liest seinen Glücksspruch alsbald und schmunzelt darüber. Üblicherweise werden die Weisheitsbekundungen in dem fad schmeckenden Kräcker schnell wieder vergessen. Dennoch freut man sich über den Brauch. Würde man keinen Glückskeks bekommen, erkündigte man sich ganz bestimmt danach.
Einem alten Witz zufolge findet einer in seinem Glückskeks folgendes Spruchbändchen: "Hilfe! Man hält mich in einer Glückskeksfabrik gefangen! Rufe die Polizei!“ Das ist aber der Glückskeks für Scherzkekse.
Doch jetzt wird es ernst. Ich habe nämlich vor ein paar Monaten in der "New York Times“ einen Artikel über die Glückskekse entdeckt. Die Autorin, Jennifer 8. Lee (jawohl "8“ – auszusprechen wie die Zahl), hat die Geschichte dieses Phänomens genau unter die Lupe genommen. Die meisten Amerikaner bringen die Kekse mit China in Verbindung. Frau J.8. Lee weiß uns aber eines Besseren zu belehren. Die Glückskekse stammen, so schreibt sie, aus Japan, wo sie "tsudschiura senbei“, zu Deutsch – was sonst? – "Gluckskekse“, heißen. Man kann ihre Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Sie scheinen mit dem Schintoismus, d.h., mit dem urjapanischen Glauben, irgendwie verknüpft zu sein. Japanische Einwanderer haben sie, so Frau Lee, nach Kalifornien mitgebracht. Der Usus ist dann auch von chinesischen Einwanderen übernommen worden, und lange Jahre haben die Kekse als Spezialität in asiatischen Restaurants in Kalifornien gegolten. Und dann ist es passiert: Am Ende des Zweiten Weltkriegs haben heimkehrende US-Soldaten die "fortune cookies“, wie sie hießen, entdeckt, als sie kurz in Kalifornien Station machten. Die "cookies“ waren bald der letzte Schrei. Im Nu haben sie sich in ganz Amerika ausgebreitet.
Dank der galoppierenden Globalisierung haben sie nun Europa erreicht. Dass sie auf Deutsch "Glückskekse“ heißen, liegt auf der Hand. Lehnübersetzungen spielen bei der Geburt von neuen Begriffen schon seit immer eine große Rolle.
Doch nun möchte ich aus diesem neudeutschen Hauptwort ein nagelneues Zeitwort ins Leben rufen. Wie wäre es mit "glückskeksen“? Das macht man, wenn man einen dieser Kekse aufbricht und seinen Glücksspruch liest. Ein schönes und wohl nützliches Wort, finde ich. Und es klingt überdies noch dazu urdeutsch. Also, viel Glück beim Glückskeksen!
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