Sie werden es kaum erraten, wie ich auf die Idee gekommen bin, mich mit dieser malträtierten Vokabel auseinanderzusetzen. Nein, keine Folge eines Besuchs bei den einschlägigen Webseiten. Meine Überlegungen über das "F-Wort“, wie man es schön vorsichtig nennt, haben weder mit schlüpfrigen Internetseiten noch mit lüsternen Gedanken zu tun. Im Gegenteil: Ich fasste meinen Entschluss, nachdem ich in einem reizenden neuen Buch über die deutsche Sprache, "Heraus mit der Sprache“, geschmökert hatte. Autor dieses empfehlenswerten Werkes ist der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Andreas Thalmayr.
Keine Bemerkungen Thalmayrs über das "F-Wort“ selbst, sondern über das Verb "sein“, das wohl unregelmässigste von allen deutschen Zeitwörtern, waren der eigentliche Anlass. Sie wissen schon: Um "sein“ zu konjugieren, muss man im Deutschen vier verschiedene Wortstämme vermischen: "bin“, "ist“, "sind“ "war“.
Warum dies so ist, weiß kein Mensch, ist heute auch nicht mein Thema. Denn mich interessiert nur einer dieser Wortstämme: den im Wort "bin“. Dieses "bin“ ist natürlich mit dem englischen "be“ verwandt, ebenfalls mit dem russischen "budjet“ ("wird sein“) und mit dem lateinischen "fuit“ ("er war“). Germanische (und slawische) Wörter, die mit "B“ anfangen, sind nicht selten mit lateinischen Wörtern, die mit "F“ oder mit griechischen, die mit "PH“ anlauten, verwandt. Zum Beispiel: Das deutsche "Biber“ und das lateinische "fiber“ sind in ihrer Bedeutung identisch.
Soweit so gut. Sie fragen sich, was all dies mit dem "F-Wort“ zu tun hat. Und jetzt kommen wir zum lateinischen "futuere“. Ich werde nicht lang um den heißen Brei rumreden. „Futuere“ bedeutet auf Deutsch "ficken“. In den Werken der römischen Lyriker Martial und Catull findet man Belege für dieses Wort in diesem Sinn noch und nöcher. Es ist aber gut möglich, dass diese Vokabel ursprünglich eine ganz andere, weniger aufgeilende Bedeutung hatte, nämlich "erzeugen“. Es gäbe dafür sogar ein altgriechisches Pendant, "phityein“ (sprich: "fi-tü-en“), das tatsächlich den Sinn von "erzeugen“ hat. Wie aus dem "Erzeugen“ ein ordinäres Wort für den Geschlechtsakt entstanden ist, kann man sich leicht vorstellen. Fairerweise muss ich hier einräumen, dass manche Sprachforscher diese etymologische Verknüpfung ablehnen. Ihr gutes Recht.
Aber jetzt schenken wir unsere Aufmerksamkeit dem deutschen "ficken“ direkt. Oft wird die Urbedeutung des "Fickens“ mit "hin- und herreiben“ angegeben. Dies meinten schon vor 150 Jahren die Brüder Grimm in ihrem Wörterbuch. Das muss aber nicht sein. Möglich wäre auch, dass der Gebrauch von „ficken“ im sexuellen Bereich dem anderen, "handwerklichen“ Sinn vorausgeht, was heißen könnte, dass "ficken“ eigentlich mit "futuere“ verwandt ist.
Klar scheint ebenfalls, dass "ficken“ mit dem englischen "fuck“ verwandt ist. Fairerweise muss ich auch hier einräumen, dass manche Sprachforscher diese Verwandtschaft ablehnen. Ihr gutes Recht.
Doch leider werden wir das letzte Geheimnis des "F-Wortes“ nie lüften. Dafür fehlen aussagekräftige Belege aus früheren Zeiten. Interessant ist aber, dass die Geschichte dieses Wortes so viel Kontroverse hervorruft. Vielleicht weil es um eine sehr private Angelegenheit geht, die dennoch in allem Munde ist. Man will darüber sprechen, man will darüber nicht sprechen. Es geht also um ein Tabuthema. Wahrscheinlich hat man deshalb schon immer nach Umschreibungen gesucht. Im Alten Testament, zum Beispiel, – und hier geht es um ein Werk, dessen Autoren außerst selten zimperlich waren – wird diese Vokabel gänzlich vermieden. Dort wird der Sexualakt schlicht und einfach "kennen“ genannt.
Es geht letztendlich um ein Wort, dass die Menschheit schon seit Jahrtausenden in Verlegenheit bringt. Umso mehr begibt man sich auf eine abenteuerliche Zeitreise in die menschliche Sittengeschichte, wenn man ES bewusst in den Mund nimmt.
Denjenigen, die nicht glauben wollen, dass es bei "ficken“, "fuck“, "futuere“, "fuit“, "bin“ usw. um eine Großfamilie handelt, ihnen kann ich nur sagen: Ihr gutes Recht.
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