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Entschuldigung, Ent-schuld-ig-ung!

Zwei Ministerinnen sind in letzter Zeit wegen Versäumnisse in Bezug auf die Ahrtal-Überschwemmungen zurückgetreten. Die eine drückte ihr Bedauern aus und trat schleunigst zurück. Die andere erlaubte sich einen dramatischen öffentlichen Auftritt samt Ausrede und trat dann nicht zurück. Sie wurde allerdings bald dazu genötigt. Nicht zu vergessen der Bundespräsident, der jüngst in aller Öffentlichkeit Reue über seinen dereinstigen Putinkuschelkurs verkündete.

Lauter Bußfertige. Was mich dazu gebracht hat, folgende Überlegung anzustellen: Was ist eigentlich eine „Entschuldigung“?

Keine einfache Frage gebe ich zu. Und jede Religion setzt sich mit dieser heiklen Sache gründlich auseinander.

Zum Glück bietet uns hier die deutsche Sprache selbst Abhilfe, um diesen Begriff zu entzaubern. Da das Deutsche, wie jeder weiß, nach dem Legoprinzip bausteinartig organisiert ist, kann man ein Wort wie „Entschuldigung“ recht einfach in seine Einzelteile auseinanderpulen: „Ent-schuld-ig-ung“. Wovon der eigentliche Kern des Wortes der Begriff „Schuld“ ist. Das „ent-„ will diese „Schuld“ aufheben und entfernen.

Eine „Schuld“ ist auf Deutsch etwas, was man zurückbezahlen muss. (Notabene: „zurückbezahlen“ ist nicht identisch mit „zurückzahlen).

Achtung: Diese Vokabel „Schuld“ ist mit „sollen“ verwandt. Eigentlich logisch. Denken Sie an „Haben“ und „Soll“. Dahinter steckt die Idee von „verpflichtet sein“. Besser gesagt, „verpflichtet, etwas Gleichwertiges als Sühne zurückzubezahlen“. „Geld“, zum Beispiel, genauer gesagt, etwas „Gültiges“.

Klar:, „Geld“ und „gültig“ sind verwandt! Man leistet ein „Entgelt“ und übt „Vergeltung“ aus. (Nebenbei: „Gold“ hat mit „Geld“ nix zu tun – zumindest sprachlich nix. „Gold“ ist eine Abwandlung von „gelb“).

Wie dem auch sei: Wenn man sich „entschuldigt“, ist notgedrungen ein „Entgelt“ fällig.

Auch dies logisch. Denn eine „Entschuldigung“ sollte ein „Entschulden“ sein. Will heißen: Man befreit sich von einer Verschuldung“. Diese Formulierung habe ich meines sechsbändigen Duden entnommen.

Wenn man „schuldig“ ist, dann nur deshalb, weil man etwas hätte machen bzw. leisten sollen, was eben nicht erfolgt ist. Wer seine Schulden nicht begleicht, leidet bisweilen (außer er ist ein Unhold) an „Schuldgefühle“.
„Schuldgefühl“ bedeutet wörtlich, „das Gefühl, das man etwas zurückzubezahlen hat.

Heute benutzen wir das Wort „Schuldgefühl nur noch als psychologischer Begriff im Sinne von „Gewissensbiss“. Wahrscheinlich aber weilen die „Gewissensbisse“ längst vor den heutigen „Schuldgefühlen“ oder „Schuldbewusstsein“ unter uns.

Warum bin ich heute so fixiert auf dieses Wort „Entschuldigung“? Vielleicht deshalb, weil mir es vorkommt, dass dieses wichtige Konzept einen Bedeutungswandel durchmacht.

Früher musste man sich „ent-schuldigen“, indem man etwas geleistet hat – eine „Sühne“ zum Beispiel“ oder ein „Entgelt“. Das hat, z.B., die NRW Agrarministerin Ursula Heinen-Esser neulich getan, indem sie ihr Amt freiwillig niederlag. Für viele jedoch, z.B. die Familienministerin Spiegel, scheint das Wort „Entschuldigung“ selbst die „Sühne“ zu sein. Mit dem Zauberwort „Entschuldigung“, meinte sie, sie habe sich „ent-schuldigt“ und müsse sonst nix zurückbezahlen, um die „Schuld“ zu beheben.

Stellen Sie sich vor, in was für eine Welt wir leben. Ein einfaches Wort reicht, um alle Unbill zu entwerten.

Und nun wissen Sie alles, was es zu wissen gilt, um jegliche Entschuldigung zu verstehen.

Comments

Lieber PJ, eine schöne Abhandlung, aus Deiner - wie immer - erfreulich sprachwissenschaftlichen Sicht, und ich überlege, ob Dich vielleicht auch mein Artikel Tschuldigung! dazu inspiriert hat. Aus meiner Sicht fehlt aber noch der grundsätzliche Hinweis: Mann kann sich nicht selbst entschuldigen, sondern man bittet um Entschuldigung. Die eigentliche Entschuldung kann nur durch andere erfolgen. Oder? Und Dein wunderbares Wort "Bußfertige" habe ich noch nie gehört und nehme ich gerne in meine Liste auf! LG GORG

Lieber Gorg, ich lass mich von Dir gern inspirieren. Diesmal war Frau Spiegel mein Vorbild. Es wäre aber trotzdem schön, wenn meine Leser bei LUSTWORT vorbeischauen, um Dein "Tschuldigung" zu lesen. Die wahrhaftige Entschuldung ist für jeden eine Segnung. Dein bußfertiger PJ

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