He Zé! Klar, dass sie nein sagen. Du hast eine „Hybride“ geschrieben. Die Verlage sind wirklich überfordert, wenn sie außerstande sind, zwischen Reisebericht und Roman zu unterscheiden. Hat wohl etwas mit Marketing zu tun. Man will halt alles schön nach Kategorie einordnen können. Als es früher noch keine Vegetarier bzw. Veganer gab, hätte man gesagt, „Was Sie geschrieben haben, ist weder Fisch noch Fleisch“. Ich verstehe diese Angst vor der „Hybride“ aber nicht. Ist momentan in den USA der letzte Schrei. Wahrscheinlich hätten die dt. Verlage auch Cervantes und Grimmelshausen abgelehnt. Mein „Wie ich die deutsche Sprache eroberte“ wird auch als „Hybride“ verteufelt, da eine Mischung aus Roman und Sprachlehre. Eine Agentin meinte noch dazu – deutlich naserupfend: „Man merkt, dass der Autor Ausländer ist.“
Uppps! War ich gerade die ganze Zeit auf Sendung? Habe glatt nicht gemerkt, und nun wurde dieses Fragment eines privaten Gesprächs öffentlich. Verzeihung, liebe Lesende des Sprachbloggeurs. Ich war grad eben dabei, mich mit Zé do Rock zu unterhalten und hab nicht rechtzeitig umgeschaltet. Was Sie vernommen haben, war eigentlich nicht als Teil dieser Glosse gemeint.
Aber es ist passiert, und da mein Gesprächspartner noch da ist, darf ich vorstellen: Zé do Rock…meine Leser; liebe Leser… Zé do Rock.
Zé do Rock: ba ba.
Zé do Rock endet seine Mails an mich stets mit „ba ba“. Ganz ehrlich weiß ich nicht, was das bedeutet, bilde mir aber ein, dass es eine Abwandlung von „bye bye“ ist. Oder vielleicht wiederum nicht. Im Übrigen weiß ich nicht, wie er „Zé“ ausspricht. Wie das „ze“ in „Zebra“ oder das „s“ in „Salbei“? Muss ihn mal fragen.
Zé und ich haben jedenfalls einiges gemeinsam und einiges nicht gemeinsam.
Zu den Gemeinsamkeiten: 1.) Wir sind beide langjährige Migrantler in Deutschland. 2.) Wir wohnen beide in München, Schwabing (obwohl er mittlerweile nur noch seine Datscha in München hat). 3.) Mein Zahnarzt (bei dem ich heute war) hat seine Praxis auf derselben Straße, wo Zé wohnt. Sein Zahnarzt hingegen hat seine Praxis auf der Fortsetzung meiner Straße. 4.) Und schließlich: Wir sind beide Schriftsteller, für die Deutsch eigentlich eine Fremdsprache ist.
Nun zu den Unterschieden: 1.) Ich bin gebürtiger Amerikaner mit englischer Muttersprache. Zé stammt aus Brasilien, also mit Muttersprache Portugiesisch. Aber halt! Zé bezeichnet Portugiesisch zwar als Muttersprache, er stamme aber – zumindest teilweise – von deutschen Vorfahren. In Brasilien kam er auch in näherem Kontakt mit dem heimischen dt. Dialekt „Catarinisch“, was offenbar auf eine altertümliche Art Deutsch basiert ist – wie wohl das Amische in Pennsylvania.
Ääämm…d.h., wenn es Catarinisch überhaupt gibt. Ich habe den Begriff nämlich gegoogelt und bin ausschließlich auf Seiten gestoßen, wo Zé selbst darüber berichtet. Ich geh aber davon aus, dass er diese Sprache nicht erfunden hat.
2.) Zé hat eine eigene Orthographie fürs Deutsch aus dem Boden gestampft und nennt sie „ultradoitsch“. Seine bereits erschienenen Bücher wurden nach dieser Art geschrieben. Ich empfehle Ihnen, die Bücher zu googeln. Sie werden schnell fündig. Er schreibt übrigens s e h r witzig…und mit Tiefgang. Zé ist freilich nicht der erste, der sich eine eigene Orthographie ausgedacht hat. So was war wohl früher gang und gebe. Ich bin überzeugt, dass Grimmelshausen ganz ohne spellcheck gedichtet hat. Hier jedenfalls ein Beispiel des ultradoitsch:
„Der mensch mag halt spilen. Ich find auch, di lerer konzentriren sich zu oft auf di gramatik, statt auf das sprechen. In 3 wochen Russland hab ich vil mer russisch gelernt als in eim jar russisch-kurs. Ich hab grammatisch alles falsch gesagt, aber ich konnte immerhin geschichten und witze erzälen, was ich ni könnte, nach dem kurs. Nach dem kurs konnt ich dekliniren, konjugiren aber mein wortschatz begrenzte sich vileicht auf 20 wörter, di hälfte davon völlig unwichtige wörter, wi sessel, apfelbaum und gazelle.“
Nebenbei: Guter Tipp fürs Sprachenlernen.
3.) Anders als Zé halte ich mich streng an der dt. Orthographie, preise sogar ihre Klarheit und Logik. Das „Groß- und Kleinschreiben befriedigt mein Bedürfnis nach Ordnung“, hab ich Zé erklärt.
Seine Antwort: „Man könNte auCh dEn zweIten Buchstaben beI dEn Artikeln grosZ schreIben, beI Präpositionen dEn driTten, beI Adjektiven dEn vieRten, beI Adverbien dEn fünFten, beI Verben dEn secHsten Buchstaben, vorauSgesetzt natüRlich, dAs Wort ist lanG genuG... dann wüsstE man immeR, um welche graMmatikalischen Klasse es sich geraDe handeLt...“
Sie sehen: zwei Früchte des Schriftstellerbaums. Das Schöne an diesem Baum: Jede Frucht schmeckt anders.
Gell, Zé. Hmm. Er scheint nicht mehr da zu sein. Aber warten Sie: Er hat einen Zettel hinterlassen. Hmm. Darauf steht – was sonst? – „ba ba“.
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Ergänzungen
Danke Sä,
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