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Sind Sie ein Opfer? Dann sind Sie hier richtig!

Fangfrage: Was haben Opfer mit Junkies gemeinsam? Viel Zeit habe ich nicht, um auf Ihre Antwort zu warten. Die Lösung: Beide reduzieren ihre Probleme auf ein einziges Bedürfnis.

Im Fall von Junkies heißt dies: den Stoff (d.h. Heroin – notabene, ein illegales Rauschgift) zu besorgen.

Und den Opfern? Was (korrekter wäre „wessen“) bedürfen sie? Ganz einfach: Den Anderen alles in die Schuhe zu schieben, weil keiner mich (seufz) versteht oder akzeptiert (seufz seufz).

Opfer zu sein bringt allerdings auch Vorteile. Man kann eine Bewegung oder einen Verein gründen, um mit anderen Opfern sich schön ausgegrenzt zu fühlen. Man kann auch eigene Feindbilder aus dem Boden stampfen. In Frankreich, z.B., wo die meisten antisemitischen Überfälle durch Muslime ausgeübt werden, erklären sich manche aus den verschiedenen muslimischen Gemeinden sich selbst für die wahren Opfer. Muslime des Antisemitismus zu bezichtigen sei lediglich ein Ausdruck der Islamophobie! heißt es. Klasse Lösung!

Das hab ich übrigens gestern in der New York Times gelesen, Heute weiß aber jeder, dass die NYT die Hauptquelle der weltweit grassierenden Fake News ist.

Nebenbei: Sicherlich glauben selbst die meisten Muslime in Frankreich nicht an obiges Märchen. Wie man aber weiß: Die Stimme, die am lautesten brüllt, bestimmt die Narration.

Anyway, Facebook und Twitter sei dank, hat man heute viele Kanäle, um sich als Opfer ein großes Publikum zu angeln.

Und vergessen Sie die Gutmenschen nicht. Davon gibt es wahrhaftig genügend, um jedes Opfer dreifach zu umkuscheln. Erinnern Sie sich noch? „Gutmensch“, Wort des Jahres 2015. Weiß nicht, ob es bereits im Duden steht.

Aber genug der Politik. Letztendlich bin ich nur sprachlich interessiert. Ist nicht meine Sache, wenn einer – oder eine – die Gelegenheit nutzt, sein – oder ihr – Leben schön kuschelig im Begriff „Opfer“ einzupacken. Kann sogar zu einem gutbezahlenden Beruf werden.

Als Sprachinteressierter will ich mich vielmehr mit den Begriffen selbst befassen und zwar als sprachliches Phänomen.

Z.B., „Opfer“. Heute gilt dies als waschechtes deutsches Wort. Wobei es sich eigentlich um ein Lehnwort aus dem Lateinischen handelt. „Operari“, bedeutet „arbeiten“ und später „Gott dienen“ (bzw. „sich Gott opfern“). Wahrscheinlich war das eine christliche Sache. In diesem Sinn ist das Wort jedenfalls durchaus positiv zu bewerten.

Nebenbei: Womöglich ist diese Vokabel „Opfer“ mit dem lateinischen opera“ verwandt. „Opera“ bedeutet „Arbeit“ aber auch „Oper“! Das wäre lustig. Denn die Oper handelt selbst manchmal von Opfern. Und dann gibt’s auch die „Seifenoper“

Die Römer benutzten aber ein anderes Wort, um das, was sie zu opfern gedachten zu bezeichnen. Sie sagten „victima“.

Wer ein sehr schönes Deutsch reden will, der kann jederzeit behaupten, „Ich fühle mich viktimisiert“ anstatt zu sagen, „Ich fühle mich als Opfer“.

Und noch eine Sache, die Sie wahrscheinlich nicht wissen: Das lateinische Wort „victima“ ist letztendlich mit dem altdeutschen „weihen“ verwandt. Das „H“ wurde wahrscheinlich ursprünglich hart gesprochen – also „weikn“ oder so.

Eine „victima“ war dann irgendwie ein „Geweihtes“, ein „Heiliges“. Oft waren es Tiere, die „geweiht“ wurden – obwohl manchmal auch Menschen, um der Götter oder einer bestimmten Gottheit zu beschwichtigen. Das mit den Menschenopfern verschwand allerdings – zumindest in Europa – vor etwa 2500 Jahren. Auch in der Bibel gibt es einen Hinweis, dass das Menschenopfer zum „no no“ geworden war. Beispiel: Abraham will seinen Sohn Isak opfern, wird aber daran gehindert und opfert anstelle seines Sohnes einen Ziegenbock. Wahrscheinlich sollten die damaligen Leser durch diese Story lernen: Heutzutage murksen wir keine Menschen mehr ab, nur noch Tiere.

Heute wird zum Glück auch das Tieropfer eingestellt.

Doch nun feiert Menschenopfer 2.0 fröhlichen Urstand, und ist stets mit Hash(#)-Tag versehen. So wird jeder wird auf seine Art glücklich.

Comments

UNwort des Jahres 2015. Seit 2000 im Duden.

und das Gegenteil von Gutmensch? Viele herzliche Grüße P.J. Blumenthal

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