Pausieren wir heute vom Lärm des Kriegsgedröhns.
Reden wir lieber vom deutschen Plural - zu Deutsch: von der Mehrzahl. Ein schönes Thema, denn es gibt uns auch von den schönen Dingen mehr.
Das Interessante: Die deutsche Mehrzahl ist selbst ein mehrfaches Gebilde. Anders als Englisch oder Französisch, die sich mit einer einzigen Mehrzahlform begnügen (zumindest meistens), kann man im Deutschen sogar die gleichen Dinge vielfach vermehren (zumindest manchmal): Dinge und Dinger, Worte und Wörter. Manche Vokabeln haben hingegen gar kein Plural, z.B. „Vergnügen“. Egal wie viele davon man hat, heißen alle „Vergnügen“.
Neulich unterhielt ich mich mit Frau M., Inhaberin des „Paradies“, meines Lieblingsobstundgemüseladens, über dieses Thema. (Nebenbei: Die süßen Erdbeeren sind schon da!).
Frau M. hatte berichtet, dass sie jüngst am offenen Fenster einen komischen Vogelgesang vernommen hätte. Es war gegen Mitternacht, und das Getriller klang besonders virtuos.
Ich ahnte gleich, um welchen Vogel es handeln musste: eine Nachtigall! Zwar hatte ich in meinem Leben noch nie bewusst eine gehört - aber welcher Vogel würde sonst mitten in der Nacht mit einem so gekonnten Liederschatz aufwarten, dachte ich.
„Ja, genau“, meinte Frau M. Ich hab nämlich am nächsten Tag unter Stichwort ‚Nachtigall‘ gegoogelt. Vom Aussehen her ist es ein unscheinbarer Vogel, aber das Lied, das ich im Internet hörte, ähnelte haargenau dem des Vogels, den ich gehört hatte.“
Doch dann fragte ich wie aus heiterem Himmel: „Und wie lautet die Mehrzahl von ‚Nachtigall‘?“
„Hmm“, sagte sie. „Ich vermute ‚Nachtigallen‘.“
„Schade“, sagte ich. „Mir wäre ‚Nachtigälle‘ lieber. Klingt lyrischer.“
„Ja, das stimmt“, sagte sie. „Oder ‚Nachtigalle‘. Ich weiß nicht, warum es ausgerechnet ‚Nachtigallen‘ heißt.“
„Ich hab das gleiche Problem mit ‚Balkon‘“, sagte ich. „Für mich wäre die ideale Mehrzahlform ‚Balköne‘. ‚Balkonen‘ klingt einfach zu fade.“
„Und gestern kamen zwei Mädchen in den Laden. Es waren keine Deutsche, und sie haben mich gefragt, ob ich ‚Öbste‘ hätte. Selbstverständlich, sagte ich…und sie haben sich ein paar…‘Öbste‘ gekauft. Ich wollte ihnen gar nicht verraten, dass es so etwas in der deutschen Sprache nicht gibt. Das Wort find ich köstlich.“
Irgendwie kamen wir dann auf die Persimone im Laden zu sprechen. Upps. Ich hab’s bereits verraten. Das Plural von ‚Persimon‘ lautet ‚Persimone‘. Mir wäre lieber, wenn es ‚Persimöne‘ wäre. Auch das hab ich Frau M. beteuert.
„Sie haben es heute mit den Umlauten, Herr Sprachbloggeur. Irgendwie scheinen sie Ihnen zu gefallen.“
„Irgendwie schon“, antwortete ich. Die kommen mir so musikalisch vor - wie halt der Nachtigall Gesang. „
„Von mir aus, warum nicht?“
Ja, das sagt Frau M. immer. Sie ist nämlich ein sehr toleranter Mensch.
„Und wie heißt die Mehrzahl von ‚Primel‘?“ fragte ich. Denn Frau M. verkauft im Paradies neben Obst und Gemüse auch Blumen. Was erwartet man sonst im Paradies?
„Ich tippe auf Primeln, und ich glaube, ich habe recht.“
Frau M. hatte recht. Doch dann hab ich nach der engl. Übersetzung gegoogelt. ‚Primrose‘ heißen sie. „Wissen Sie, Frau M., egal wie viele Primeln man hat, ‚Primrose‘ klingt, meiner Meinung nach allemal schöner…“
Aber genug der Ablenkung: Zurück in die beunruhigende Welt. Keine Sorge aber: Der Sprachbloggeur wird sich Mühe geben, Sie ab und zu vom nörgelnden Kriegsgedröhn abzuwenden. Denn Kriegsgedröhn hat nämlich keine Mehrzahl.
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Mehrzahl mit Umlaut
Gut gefragt,
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