Jeder kennt die Azteken…irgendwie. Was Sie aber vielleicht nicht wissen: dass Sie etliche Wörter ihrer Sprache (Nahuatl heißt sie) – manche beinahe täglich – benutzen. Zum Beispiel:
Schokolade – auf Nahuatl heißt es „Chocolatl“. Oder Tomate – ursprünglich „Tomatl“. Oder Avokado – in der Sprache der Azteken „Ahuacatl“. Die Liste ist lang, und meistens lecker. Doch so viel zum harmlosen Teil dieser Glosse. Ab jetzt wird es würzig und scharf wie Chili (Nahuatl „Chilli“)….
Besagte Azteken waren einst das mächtigste Volk Zentralmexikos. Ihre Hauptstadt, Tenochitlan, wurde auf einer Insel mitten in einem großen See gebaut. Und das Aussehen dieser Stadt hat die ersten Besucher aus Europa – es waren Spanier – prompt ins Staunen versetzt: prächtige Paläste und Tempel, hohe Pyramiden, steinerne Häuser, Prachtstraßen und Gassen. Vielleicht ein wenig Florenz der Medici mitten in Mexiko. Notabene: Wir sprechen hier von einer Zeit ab ca. 1300 n.Chr.
Diese Azteken waren, müsste man hinzufügen, keine Chorknaben (mein lieber Freund W. – er lebt abwechselnd auch in Columbia – benutzt anstelle von „Chorknaben“, den Begriff „Säulenheilige“, um diese kultivierten Raubeine zu beschreiben – was ich schön finde).
Gemeint ist: Die Azteken war ein grausames, imperialistisches Volk, das alle Nachbarvölker, eins nach dem anderen zu erobern bzw. einzuverleiben verstanden („Hegemonisten“ würden wir heute sagen) – nicht nur um das eigene Einflussgebiet zu erweitern, sondern ebenfalls wegen der Bedürfnisse ihrer Religion. Diese Religion war nämlich auf dem Opferkult basiert – genauer gesagt: auf dem Menschenopfer. Gern schnappten sich die Azteken deshalb Nachbarkrieger, um sie dann ihren Göttern als Opfergabe zu schenken.
Der Ritus ging folgendermaßen vor sich hin. Aztekische Priester versetzten den ausgewählten Gefangenen (sorry, Girls, hier gab’s keine GefangenInnen) unter Drogen, begleiteten sie zur Gipfelplattform einer heiligen Pyramide, packten das Opfer jählings an allen Gliedern, warfen ihn auf einen steinernen Opfertisch und peng! Sie senkten dem Opfer ein Feuersteinmesser in die Brust, wobei sie unterdessen das noch schlagende Herz aus dem Leib rausrissen und das leblose Opfer die steilen Treppen herunterschubsten.
Wir wissen all dies, weil die oben erwähnten Spanier die raubeinigen Azteken 1519 unter der Führerschaft von Hernan Cortés eroberten.
Hier müsste man aber hinzufügen, dass Haudegen Cortés und Co. die Unterstützung der Nachbarvölker der Azteken genossen. Denn diese von den Azteken arg unterdrückten Stämme haben allzu gern bei der Niederlage der verhassten Imperialisten kräftig mitgemacht.
Doch nun eine traurige Ironie: All dies ist nur wegen eines Missverständnisses den Azteken zugestoßen. Fakt ist, die Azteken wartete sehnlichst auf die Rückkehr ihrer Gottheit Quezlcoatl. Er war eine Art Heilsgott. Der Legende zufolge sollte er eines Tages in Form eines hellhäutigen und- haarigen Menschen von Übersee nach Tenochitlan zurückkehren, um dann quasi ein „messianisches“ Zeitalter einzuläuten. Und siehe da! Nun erscheint der hellhäutige und -haarige Cortés auf einem Schiff. Tja. Für die Azteken dumm gelaufen. Den Rest der Geschichte kennt man.
Und jetzt noch eine traurige Ironie. Diese Geschichte vom hellhäutigen und -haarigen göttlichen „Retter“ erfuhr ein mexikanischer Einwanderer, der sich als Kind (oder junger Mensch) in München niedergelassen hat. Nur: Leider hat er die Story ein bisschen durcheinandergebracht – vielleicht weil er so jung war, als er Mexiko verlassen hat. Seinem Gedächtnis zufolge sei es nicht Cortés, der die Azteken so schrecklich traktiert hatte und das indigene Paradies kaputt gemacht habe, sondern Christoph Kolumbus. Immerhin: Beide Namen fangen mit einem „K“ (bzw. „C“) an.
Der junge Mann wuchs in München heran, heiratete und wurde Vater. Gern erzählte er seinen Kindern eben diese alte Geschichte vom grausamen „Kolumbus“, der die Idylle Altmexikos zunichte gemacht habe. Die Geschichte machte auf die Kinder offensichtlich einen großen Eindruck.
Eines Tages wurden auch seine Kinder erwachsen. Und nun geschah es. Eine Tochter war derart entsetzt, dass es eine U-Bahn-Station in München gibt, die „Kolumbusplatz“ heißt, so dass sie heftig dagegen protestiert hat.
Was machte sie? Klar! Im Zeitalter der „Cancel Culture“ hat sie einen Verein (oder eine Gruppe) gegründet. Und siehe da! Der forschen Tochter war es gelungen, Politiker in München zu überzeugen, dass man den Namen der verruchten U-Bahn-Station unbedingt ändern müsste!
So wie es aussieht, will die Stadt dem Wunsch der Gruppe nachkommen und den verhassten Namen tatsächlich verändern. In was aber?
Hmm. Gute Frage. Mein Vorschlag: Cortésplatz!
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Kolumbus
Cancel Kolumbus?
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