Achtung: „Popanz“ hat mit „Popo“ nichts zu tun. Um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, erkläre ich dies umgehend. Fakt ist: Es gibt tatsächlich Leute, die instinktiv etwas wittern (bzw. sich einbilden), wenn sie einer ihnen unbekannten Vokabel zum ersten Mal begegnen. Im Ernst. Und schließlich wollen wir hier niemandem auf den Schlips treten. „Auf den Schlips treten“? Komische Redewendung. Wer trägt denn einen so langen Schlips? Vielleicht Trump.
Nur ein Beispiel von einer derartigen Gefahrenzone für Missverstehende. Hier wieder eine: das engl. Wort „niggardly“. Es bedeutet „knausrig“ und hat nix – auch sprachgeschichtlich nix – mit dem berüchtigten „N“-Wort, das zusehends aus dem Wortschatz gecancelt wird.
Es gibt mehrere Anekdoten darüber, wie dieses Wort „niggardly“ in die falsche Kehle rutschen kann. Ich erinnere mich an einen Skandal, der in den 1960er Jahren in New York City stattfand. Er ereignete sich während einer Konferenz zwischen dem Stadtrat und Vertretern der damaligen Bürgerrechtsbewegung. Ein Stadtrat (oder war es der Bürgermeister?) benutzte im Kontext eben dieses Wort. Prompt flogen die Fetzen. Von einer rassistischen Sprache war die Rede, bis erklärt wurde, was das Wort eigentlich bedeutete. Dann gab’s wieder Ruhe…oder nicht. Hab ich vergessen.
Komischer Gedanke: Ein Wort canceln, nur weil manche den Sinn nicht verstehen. Heute wäre das sicherlich möglich. Damals noch nicht.
Nebenbei: Bei Wikipedia finden Sie, falls Sie neugierig sind, einen ganzen Beitrag mit dem Titel „Controversies about the word niggardly“. Damit erspare ich mir das Bedürfnis, weiter ins Detail zu gehen. Irgendwie wirkt das Phänomen wie die Handlung für eine Komödie.
Noch schlimmer, wenn ein Wort zwei Bedeutungen hat. Zum Beispiel das engl. „cock“, also „Hahn“ (wie in kikiriki). Die gleiche Vokabel wird auch im Sinne vom „männlichen Geschlechtsteil“ verwendet, Wie es dazu gekommen ist, weiß ich nicht so ganz genau. Dito das engl. Wort „ass“. Es bedeutet sowohl „Esel“ wie auch „Arsch“. Aus diesem Grund werden beide Wörter, „cock“ und „ass“ nur selten im anständigen Sinn gebraucht. Wenn Schulkinder sie dennoch in alten Texten entdecken, kichern sie aufgegeilt verschämt.
Doch kehren wir zu „Popanz“ zurück. Diese schöne, leicht antiquierte Vokabel, machte neulich in den Medien die Runde, weil der Bundeskanzler mit ihm in einer Plenardebatte zum Thema „Deutschland-Pakt“ punkten wollte. Die Rede war von „Popanz und Schattenboxen“. Ich nehme an, dass manche Bundestagabgeordnete das Wort schnell googelte, um ja keine Ignoranz aufkommen zu lassen.
Bundeskanzler Scholz gebrauchte das Wort „Popanz“ übrigens nicht zum ersten Mal. Er scheint von ihm angetan zu sein. Auch letztes Jahr hat er es verwendet, als ihm das „Gespenst“ des sog. „Cum-Ex-Skandals“ heimsuchte.
Welch Zufall! „Popanz“ (der Popanz übrigens) bedeutet sage und schreibe Schreckensgespenst! Genauer gesagt: etwas, das keinen Bestand hat, das aber benutzt wird, um andere zu verunsichern.
Eigentlich ein hübsches Wort.
Nebenbei: Die Herkunft dieses Wortes ist unbekannt. Es wird zwar vermutet, dass es aus dem Tschechischen entnommen wurde, aber keiner weiß es so genau. Immerhin ist es im Gebrauch seit ca. 500 Jahren.
Und nun sollten wir vielleicht noch ein bescheidenes Rätsel lösen, nämlich das der Herkunft der Redewendung „jemandem auf den Schlips treten“.
Der „Schlips“, der hier gemeint wird, ist eigentlich kein Schlips im heutigen Sinn. Laut dem „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ von Küpper existiert diese Redewendung erst seit ca. 1900. Damals, so Küpper, benutzte man „Schlips“ auch im Sinne von „Schleppe“, womit ein „Rockzipfel“ gemeint ist.
Heute denken wir, wenn jemandem auf den Schlips getreten wird, dass ein Mann gekränkt wird. Ursprünglich wohl nicht, wenn Küpper recht hat.
Und jetzt wissen Sie, wieso „Popanz“ nix mit dem Popo zu tun hat.
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