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Von der Duldung und der Ungeduldung

Sind sie es oder sind sie es nicht? Die Rede ist von den Silvesterrandalierern – oh Entschuldigung von den SilvesterrandaliererInnen – , die am Silvester in Berlin, Polizei, Feuerwehr usw. in den Hinterhalt gelockt haben, um sie mit Böllern und sonstigen Waffen anzugreifen.

Sind sie es oder sind sie es nicht? Sie wissen, worauf ich hinaus will: Waren diese KrawalliererInnen „Biodeutsche“, wie man zu sagen pflegt, oder waren sie, wie manche vermuten, „MitbürgerInnen mit Migrationshintergrund“? Früher hätte man „Ausländer“ gesagt. Jahre lang war auch ich Ausländer. Inzwischen habe auch ich einen Migrationshintergrund.

Meiner Frau zufolge war das Gros der TäterInnen Deutsche. Ob „Bio-“ oder eine sonstige Geschmacksrichtung vermag ich nicht zu sagen. Das wusste meine Frau ebenso wenig.

Allerdings berichtete sie mir: Eine große Anzahl besagter RandaliererInnen waren Menschen, die lange in Deutschland leben und immer noch nur als geduldet gelten. Ja, „geduldet“. In der amtlichen Sprache spricht man von einer „Duldung“.

Was bedeutet das? Dass sie monatlich ein Geld erhalten, wohl dem Harz-IV (oder wie immer das jetzt heißt) ähnlich. Arbeiten dürfen sie jedoch nicht. Denn sie werden lediglich „geduldet“.

Habe ich nicht neulich irgendwo gelesen, dass man in Deutschland händeringend nach Fachkräften sucht, um Lücken, durch die schrumpfende Bevölkerungszahl verursacht, entgegenzuwirken? Oder wenn man keine Fachkräfte braucht, werden stets Lieferando-FahrerInnen gesucht…oder?

Obiges nur ein paar Gedanken, die mir erst gestern dank meiner Frau eingefallen sind.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich würde nie versuchen, einen Angriff gegen Rettungskräfte zu rechtfertigen. Wer so etwas tut, genießt meinerseits kein Mitgefühl.

Aber Geduld. Geduld? Wenn ich mich richtig entsinne, zählt Geduld zu den ersten schrecklichen Dingen, die Kinder zu hassen lernen.

„Mama, wann ist Weihnachten?“

„Bald, Schätzchen, nur Geduld.“

Mama, sind wir bald da?“

„Bald, mein Kind, nur Geduld.“

Was bedeutet „Geduld“? Was sonst?: Du musst lernen, dein Leid zu ertragen.
Nette Botschaft, und sie ist gewissermaßen eine wichtige Lektion fürs Leben. Denn warten muss man im Leben oft. Man muss sich ja…gedulden.

Nebenbei: Dieses Wort „Geduld“, „dulden“ usw. hat Verwandtschaft in anderen Sprachen. Z.B. im Lateinischen. Sie kennen das Wort „tolerieren“. Im Lateinischen hat „tolerare“ mit „ertragen“ zu tun. Das zweite „D“ in „dulden“ ist eigentlich ein Neueinwanderer in den Wortstamm. Im Gotischen fehlte es vollständig. Will heißen: Das zweite „D“ in „dulden“ hat einen Migrationshintergrund!

Aber zurück zu „Geduld“. Eigentlich kein Wunder, dass ein Wort, das den Sinn hat, einem anderen weiszumachen, dass er auf etwas warten muss, letztendlich ungeduldig macht!

Und nicht zu vergessen: Wir leben in einer Zeit, in der – vor allem in den wohlhabendsten Ländern – die Menschen zusehends ungeduldig werden. Alle wollen schnell dran sein. Keine will warten. Nicht einmal die RadlerInnen, die aus Gründen der Klimarettung den Straßen die Geduld auf die Probe stellen.

Geduld, sage ich. Alles wird wieder gut. Eine Duldung ist übrigens mit einer „Dult“ nicht verwandt. Letzteres ist ein Jahresmarkt – vor allem in Bayern. Doch auch auf der Dult muss man manchmal geduldig sein, wenn man etwas kaufen will – zum Beispiel ein Wurschtel. Man nimmt in Kauf, dass man Schlange stehen muss.

Ja, das mit der Geduld ist sehr kompliziert.

In eigener Sache: Nächste Glosse gegen Mitte Februar. Der Sprachbloggeur taucht unter. Geheimmission wieder.

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