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Wort des Jahres: „Wasserrohrbruch“

Ich gehe davon aus, dass das Sterben irgendwie ähnlich vonstatten geht, wie eine Silvesternacht. Auf einmal ist es – wie man sagt – „fünf vor zwölf“. Dann fängt das Ballern und Böllern an. Die Hunde und Katzen, die Vögel und Tiger erschrecken sich, registrieren Gefahr, Vernichtung etc. Die Menschen hingegen sind verschiedenartig beschäftigt. Einige stoßen an, einige knutschen, einige bewerfen Polizei, Feuerwehr Notfallwagen mit Böllern und Raketen, andere liegen längst im Bett und pennen.

Eins haben alle gemeinsam: Egal, was sie tun, fängt dies auf der einen Seite einer Zeitzone an und endet auf der anderen Seite.

„He! Was ist? Ist es…ja…schon…das neue Jahr? Ich lebe! Ich lebe! Es gibt mich! Es gibt doch ein Leben nach dem Leben!...usw.“

Nun haben Sie den einfachen Teil dieser Glosse gelesen. Ab jetzt wird es schwieriger.

Wie der Titel dieses ersten Beitrags eines neuen Jahrs besagt: Das Wort des Jahres lautet „Wasserrohrbruch“…zumindest mir.

Was hat dies für eine Bewandtnis? Folgendes: Am 31. Dezember, d.h., im vorigen Leben, erblickte ich bei uns in unserer Küche links vom Fenster und oberhalb des Kühlschranks einen braunen Fleck. Wie bitte? habe ich gedacht. Woher kommt denn das? Ein Schimmelanfall? Wäre das erste Mal. Noch dazu gäbe es für so etwas keinen Grund. Die Ecke ist gut belüftet.

Ich stieg nun auf eine Leiter und fasste die Stelle an. Sie war nass. O je. Irgendwoher kommt Wasser von oben herunter. Das war meine Schlussfolgerung, und es hat gestimmt.

Doch was kann man so kurz vor dem Ende…des Jahres, meine ich natürlich, um einem Problem auf den Grund zu kommen? Nix. Denn man kann niemanden erreichen. Man kann lediglich beobachten.

Bald waren wir ins neue Jahr (wie man sagt) reingerutscht. Und wir stellten fest: Wir leben! Doch leider galt das gleiche für den Fleck an der Wand! Das kann nur bedeuten, dass Sie, auch wenn Sie ins neue Leben oder Jahr hineinrutschen, die Flecken des alten Lebens nicht entkommen.

Immerhin: Zum Glück gibt es immer Hilfe. Das muss man wissen. Meistens muss man allerdings erst lernen, nach Hilfe zu rufen! In meinem Fall: Ich benachrichtigte den Hausmeister und die Hausverwaltung. Dazu auch unseren Sohn. Er kam als erster vorbei, begutachtete die Lage und machte auch Fotos. Mehr konnten wir ohnehin nicht tun. Auch die Nachbarn oben benachrichtigten wir. Bei ihnen allerdings schien vorerst alles in Ordnung zu sein, alles sozusagen in trockenen Tüchern.

Am nächsten Tag kam auch der Hausmeister zu uns. Zeitgleich fing, wie man sagt, die Kacke zu dämpfen an. Denn plötzlich regnete es regelrecht vom Fensterrahmen der Küche runter. Mengen von Wasser! Alles war nass. Wasser war schon immer ein guter Diener aber schlechter Herr. Der Hausmeister blieb ruhig. „Alles halb so schlimm, was sich mit Geld richten lässt. Schlimm ist, wenn man den Doktor rufen muss“, sagte er. Er ging dann in den Keller und drehte das Wasser zu. Auf unserem Strang floss nun kein kaltes Wasser mehr in der Küche. Das stellte aber nur die wenigsten im Haus fest. Die meisten waren ohnehin verreist. Und siehe da: Im Nu hörte es auf zu tröpfeln. Als würde das Blut aus einer Wunde versiegen.

Am nächsten Tag – nun waren wir noch tiefer ins neue Jahr hineingeprescht – kam ein Handwerker mit Messgeräten, die die Wärme und die Nässe in der Wand messen. Wasserrohrbruch. So war seine Diagnose. Zur gleichen Zeit machte sich der Wasserschaden mittlerweile auch bei den Nachbarn sichtbar. Doch da das kalte Wasser bereits zugedreht wurde, hielt sich der Schaden in Grenzen. Glück im Unglück, wie man sagt…

Und nun sind wir beinahe am Schluss dieses metaphysischen Traktats übers Leben nach dem Leben gekommen. Es hat zwar mit einem Wasserschaden angefangen – genauer gesagt mit einem Wasserrohrbruch – aber wir sind trotzdem ins neue Jahr gekommen.

Morgen treten die Handwerker an, um das Problem zu beseitigen. Dann werden auch de Wände getrocknet und schließlich auch neu geweißelt.

Das neue Jahr hat mit einem Wasserrohrbruch begonnen, und deshalb bleibt – zumindest für mich – dieses Wort Wort des Jahres.

Vielleicht klingt Ihr Wort anders.

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