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„Promi“ sein

Möchten Sie berühmt sein? Mittelpunkt des Interesses von Ihnen fremden Menschen? Ein Name sein, den jeder kennt…wie Lady Gaga, Thomas Gottschalk, Vladimir Putin?

Ich war jedenfalls schon da, und zwar einige Male, bin also in der Lage, Sie über dieses Thema zu beraten. Hier ein paar Beispiele aus meiner Karriere als bisweilen berühmter Mensch.

Zuerst ein unverdienter Moment der Aufmerksamkeit…

Ich bin auf dem Radl in der Münchener Maxvorstadt unterwegs, und zwar auf der Ludwigstraße, falls Sie München kennen. Rechts von mir an der Ampel hält ein Wagen. Ein Mann – ein gestandenes Mannsbild könnte man sagen – schaut mich staunend an. Ich habe das Gefühl, er wird gleich ohnmächtig werden. Seine Lippen zittern, und er sagt: „Ach du lieber, Paul Breitner neben mir auf dem Rad!“ Entschuldigung, liebe Lesende. Nun hab ich vergessen. Hat er „Paul Breitner“ oder „Gerd Müller“ gesagt? Fakt ist: Breitner, Müller und Blumenthal hatten damals alle drei dunkle Locken.

Wie dem auch sei. Das gestandene Mannsbild im Auto ist in dem Augenblick ziemlich durch den Wind. „Nein, so heiß ich nicht“, antworte ich mit erkennbarem amerikanischem Akzent. Fakt ist: Mir dem Frischling in München waren damals die Namen P.B. und G.M. unbekannt.

„Ach so“, sagt mein Gesprächspartner. „Da ist aber eine Ähnlichkeit.“ Nach ein paar Sekunden fahren wir beide weiter auf unsere jeweiligen Abenteuerreisen durch das Leben. Soweit ich weiß, sind wir uns nie wieder begegnet.

„Promi“ sagt man auf Deutsch für jemanden, der allgemein bekannt ist und über den man in der Zeitung lustvoll (oder hämisch) schreibt. Kurz für „Prominent“, ein Wort, das wörtlich „hervorragend“ bedeutet – „hervorragend“ im wörtlichen Sinn – wie wenn, z.B., ein Vorbau hervor-ragt.

Prominente Menschen gibt es auch auf Englisch. Allerdings wird diese Vokabel im Sinn von „bekannt“ benutzt. Ein Naturwissenschaftler, ein Chemiker, ein Autor und auch Räuber*Innen können „prominent“ sein.

Gleichbedeutend mit „Promi“ ist das englische „celebrity“. Ein „celebrity“ ist, genau genommen, jemand, den man „zelebriert“, jemand quasi, der gefeiert wird. Das war jedenfalls die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes. Heute hat es den gleichen Sinn wie „Promi“. Oft sind „Promis“ eine billige Abwandlung dessen, was man einst unter „gefeierten Menschen“ verstand.

Aber halt. Eigentlich wollte ich über einige meiner Erfahrungen mit dem Promi-Leben berichten:

Das erste Mal war ich vielleicht 19 Jahre alt. Ich habe an einem Lyrikabend in der alten Heimat in New York teilgenommen. Der Saal war voll, und ich habe meine Lyrik vorgetragen. Am Schluss sprach mich eine junge Frau an – ich denke sie war etwas älter als ich – und wollte von mir wissen, wie ich es geschafft hatte, ein bekannter Lyriker zu werden. Ich war aber kein bekannter Lyriker. Meine Fangemeinschaft bestand damals aus einem einzigen Menschen: dieser Frau.

Mir war die Sache jedenfalls peinlich, und ich wollte so schnell wie möglich die Flucht ergreifen. So ist mein Empfinden immer, wenn ich berühmt bin.

Noch ein Beispiel. 1998 kehrten wir, d.h., ich mit Familie, nach München zurück nach einem vierjährigen Aufenthalt in den USA. Ich habe in dieser Anfangszeit einen Text für die Münchener Abendzeitung über meine Eindrücke als Rückkehrer geschrieben. Der Artikel wurde mit einem Foto von mir geschmückt. Wahrscheinlich wurde der Text eifrig gelesen. Er war jedenfalls recht unterhaltsam geschrieben. Mit dem Resultat, dass ich tagelang beim Einkaufen von fremden Menschen angesprochen wurde, weil sie meinen Artikel gelesen und mich durch das Foto wiedererkannt hatten.

Was soll dies?, habe ich gedacht. Wir kennen uns nicht, und ich wollte mich schleunigst verstecken. Natürlich antwortete ich immer höflich. Zum Glück war der Spuk nach ein paar Tagen wieder vorbei.

Noch ein Ereignis. Nachdem mein Sachbuch, „Kaspar Hausers Geschwister – auf der Suche nach dem wilden Menschen“, 2003 zum ersten Mal erschienen war, war ich einmal in einer großen Münchener Buchhandlung. Eine Frau – oder war es ein Mann? – erkannte mich – offensichtlich durch das Autorenfoto. Denn Sie (oder er) hatte ein Exemplar meines Buches in der Hand und bat mich um ein Autogramm. Klar habe ich eingewilligt. Der Verlust meiner Anonymität machte mir aber wie immer Angst. Ich fühlte mich plötzlich sehr verwundbar.

Na ja. Diese nur ein paar Anekdoten. Denken Sie gut darüber nach, falls Sie auf einmal Lust verspüren, eine Berühmtheit zu werden. Fakt ist: Jede Zielscheibe hat einen Mittelpunkt.

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