You are here

Link(s) und recht(s)

Bin ich froh, dass ich nicht als Araber geboren wurde. Nein, hier kein billiges verallgemeinerndes Abwatschen einer Kultur bzw. Bevölkerung.

Vielleicht drücke ich mich zu ungenau aus. Was ich meine: Ein Glück, dass ich nicht unter den Beduinen geboren wurde.

Sie wissen, wer die Beduinen sind, oder? Es sind Arabisch sprechende Stämme, die seit der Antike in Karawanen durch die Wüsten Nordafrikas und des Nahen Osten als Händler (und Schmuggler) ziehen. Karl May und andere haben sie idealisiert – wie die Rothäute Amerikas. Auf Arabisch bedeutet der Name „Staatenlose“.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Als Großstädter sehnt man mitunter nach so einem Nomadenleben. Zum Beispiel, wenn die klimarettenden Radler kreuz und quer auf dem Bürgersteig vorbeihuschen und mit Drohrufen lärmen „Ich habe recht!“ oder „Ich habe Vorfahrt!“.

Für mich aber wäre ein Leben unter den Beduinen aus einem besonderen Grund unvorstellbar: Ich bin nämlich Linkshänder. Und nun muss ich ein leider etwas unappetitliches Thema thematisieren.

Beduinen leben in engen Familiengemeinschaften. Wüstenromantik pur. Zu Mahlzeiten hocken sie um eine große Decke, und jeder langt in die Töpfe und Schüssel, um ein Häppchen von Hand zu Mund zu befördern. Ob das auch heute noch so ist, weiß ich nicht.

Eins darf man in dieser intimen Runde nicht tun: mit der linken Hand in die Töpfe greifen. Tut man dies, gilt man als unrein.

Wieso?

Weil bei den Beduinen die linke Hand eine gewisse dedizierte Funktion innehat: Man benutzt sie, um nach dem Stuhlgang den Allerwertesten sauber zu bekommen. Tut mir leid, wenn ich jemanden eventuell in Verlegenheit bringe. Nebenbei: Als althergebrachtes Reinigungsmittel für diese Tätigkeit galt…der Wüstensand. Ob dies immer noch der Brauch ist, vermag ich nicht zu sagen. Immerhin: Ich war einmal in einer Wohnung in einer Wüstenstadt in Tunesien. Dort entdeckte ich, dass das WC lediglich ein mit Fliesen ausgelegtes Loch war. Daneben stand eine mit Wasser gefüllte Gießkanne. Den Rest muss ich Ihnen nicht ausmalen.

Über dieses Thema gäbe es sicherlich genügend Stoff, um eine dicke Doktorarbeit oder ein spannendes ethnologisches Werk zu schreiben. Ich erwähne all dies aber, um zum Thema zurückzukehren, lediglich darum, weil ich Linkshänder bin.

Meine Frage: Was tut ein Linkshänder in einer solchen Wüstengesellschaft? Er ist anders als die anderen. Ich kenne die Antwort nicht. Würde ich mich in einer solchen Gesellschaft befinden, würde ich instinktiv mit der linken Hand in den Fleischtopf langen. Doch was passiert dann? Keine Ahnung.

Linkshänder bildeten zu jeder Zeit in der Geschichte eine Minderheit – aber es hat sie immer gegeben. Man wird einfach als Linkshänder geboren. Punktum. Nicht anders ist es bei Menschen, die zur gleichgeschlechtlichen Liebe neigen. So ist man halt. Die Zahl derer liegt bei ca. 5 % der Gesamtbevölkerung. Vorsitzendem Google zufolge, ist hingegen jeder zehnte Mensch ein Linkshänder.

Doch: Anders als die LGBTQ+ Community oder die „People of Color“ (wie sagt man das auf Deutsch?) oder sonstige Minderheiten, die sich gern als verfolgt darstellen, haben wir Linkshänder keine Lobby! Nirgends!

Und wir bräuchten eine dringend! Dunkelhäutige Menschen gehen auf die Barrikaden, weil eine Apotheke „Mohrenapotheke“ heißt, was nicht einmal abschätzig gemeint ist. Linkshänder werden täglich in unzähligen Sprachen automatisch negativ thematisiert. Auf Deutsch, z.B., darf man unbestraft ein Schlitzohr oder Halunken als „link“ bezeichnen. Oder man sagt, einer hat „zwei linke Hände“. Auf Englisch heißt es, wenn einer „ungelenk“ ist, dass er „two left thumbs“ habe. Sagt man „He’s out in left field“ (ein Baseball-Idiom), bedeutet das, er befindet sich irgendwo, wo wenig los ist. Er habe also nichts zu tun und sei obendrein ahnungslos.

Oder das französische „gauche“. „Es bedeutet nicht nur „links“, sondern auch „unbeholfen“. Auch im Englischen wird es so verwendet.

Oder „sinister“ auf Lateinisch. Sie verstehen, worauf ich hinauswill.

Und die Rechtshänder? Tja. Das Wort „recht“ brauche ich gar nicht zu erläutern. Fakt ist: Ich habe recht! Ich habe Ihnen alles perfekt zurechtgestellt. Und Sie können mit der Richtigkeit meines gerechten Berechnens rechnen. Ich meine Sie, der mit der „schönen Hand“ schreibt.

Ein kurzes Postskriptum über Herrn R., einen alten Gentleman, den ich einst kannte: Wenn er sich mit jemanden unterhielt, und sein Gesprächspartner sich aufregte und darauf pochte, „Ja, aber ich habe recht!!“, so antwortete Herr R. „Haben Sie gesagt, dass Sie recht haben?“

„Ja!“

„O meine Güte. Das ist besonders schlimm. Es gibt für Sie keine Hoffnung mehr.“

Postpostskriptum: Auf Arabisch heißt es: „Ich küsse die Hand, die ich nicht abhacken kann.“

Add new comment

Filtered HTML

  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Allowed HTML tags: <a> <p> <span> <div> <h1> <h2> <h3> <h4> <h5> <h6> <img> <map> <area> <hr> <br> <br /> <ul> <ol> <li> <dl> <dt> <dd> <table> <tr> <td> <em> <b> <u> <i> <strong> <font> <del> <ins> <sub> <sup> <quote> <blockquote> <pre> <address> <code> <cite> <embed> <object> <param> <strike> <caption>

Plain text

  • No HTML tags allowed.
  • Web page addresses and e-mail addresses turn into links automatically.
  • Lines and paragraphs break automatically.
CAPTCHA
This question is for testing whether you are a human visitor and to prevent automated spam submissions.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.