Moin moin aus dem schönen Weimar. Das sage ich, auch wenn ich weiß, dass "moin moin“ mit dem Thüringischen nicht zu vereinbaren ist.
Was führe ich im Schilde? Folgendes: Ich habe gestern zufällig in einem "Marco Polo“ Reiseführer für Hamburg geblättert und erfahren, dass ortsfremde Besucher in Hamburg diese Redewendung tunlichst vermeiden sollen.
Dieser Ratschlag war unter der Rubrik „Bloß nicht“ zu finden. Eigentlich ein guter Einfall der MP-Serie, diese Rubrik. Denn so erfährt man, was jeweils an einem Ort oder in einem Land als sicherer Tritt ins Fettnäppchen gilt. In Hamburg solle man, so heißt es, nachts nie allein auf die Reeperbahn gehen. Auch das Rumstehen am Bahnhof sei nicht zu empfehlen, ebenso wenig wie das Zurschaustellen einer teuren Rolex-Uhr. Und so weiter.
Warum wird aber abgeraten, einen "native speaker“ mit "moin moin“ zu grüßen? O-Ton MP: "Reden Sie so, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist, aber versuchen Sie um Gottes willen nicht Plattdütsch oder Missingsch...“
Der MP-Führer für München erteilt einen ähnlich guten Rat. Da soll man (der "Preiß“ ist hier sicherlich gemeint) das "Pfüati“, "eini“, "aufi“ usw. aus gleichem Grund nicht in den Mund nehmen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich mache "Marco Polo“ keinen Vorwurf. Die Ratschläge sind sicherlich nicht aus der Luft gegriffen. Nur halte ich den guten Rat trotzdem für fehl am Platz.
Ich schreibe nicht zum ersten Mal über die deutschen Mundarten, deren Gebrauch, wie so oft behauptet wird, stark zurückgehe. Man hat manchmal den Eindruck, dass die Dialekte so sehr vom Aussterben bedroht sind wie der Berggorilla. Regionalzeitungen greifen das Thema immer wieder auf: Was können wir tun, um unseren heimatlichen Dialekt zu retten usw. Sie wissen schon.
Alles Lippenbekenntnisse, behaupte ich, Inhalte, die nur den Sinn haben, Zeitungen während einer Nachrichtenflaute zu verkaufen.
Dürfte ich MP-Reiseführer schreiben, so würde ich meine Leser geradezu ermuntern, sich richtig ins Zeug zu legen und versuchen Mundart zu sprechen. Darüber hinaus: Wäre ich ein Plattsnacker oder Bayer usw. würde ich jauchzen, wenn sich der Zugereiste an MEINE Sprache wagen würde, anstatt dass ich die Kenntnisse meines Dialekts als Geheimcode hüte, bis der letzte Sprecher wegstürbe.
Eine amerikanische Freundin, wir nennen sie Jane, hat wie ich ein halbes Leben in Europa verbracht, darunter viele Jahre in der Schweiz. Sie spricht heute noch fließend Schwyzerdütsch – auch wenn ihr amerikanischer Akzent nicht zu überhören ist. Die Schweizer sind aber anders als manche Deutsche. Sie gehen fest davon aus, dass man sich an ihre heimische Sprache heranwagt. Dank dieser Großzügigkeit ist ihre Mundart eine lebendige Sprache geblieben. Gleiches gilt für die Luxemburger (noch immer habe ich vor, mal über ihre Sprache zu schreiben, doch ein anderes Mal).
Natürlich sind nicht alle Mundartsprecher borniert. Als ich 1975 in München ankam, hatte ich folgendes Erlebnis: Mein VW-Käfer (Jahrgang 1962 oder so) hatte den Geist aufgegeben. Ein "gelber Engel“ des ADAC klärte mich auf, "Sie miassen eahna Batterie affloden lossa“. Ich habe ihn verstanden und schleppte das schwere Ding zur nächsten Tankstelle. Nur ein Wort kannte ich nicht: "affloden“. Ich meinte, es sei ein Fachwort, und ich sagte dem Mechaniker an der Tankstelle: "Würden Sie bitte meine Batterie affloden“, was er auch sogleich machte.
Noch ein Erlebnis: Ich saß damals in der Kneipe mit einem jungen Äthiopier. Er sagte: „No a Bier bitschä“. Fakt ist: Das waren die einzigen Worte, die er in der Fremdsprache kannte – reines Bayrisch."
Liebe Mundartsprecher: Sprechen Sie ihren geliebten Heimatdialekt mit allen – auch mit dem Besucher – , und seien Sie großzügig, wenn diese in Mundart antworten. Freuen Sie sich sogar. Sie werden innerhalb weniger Jahre merken, dass auch totgesagte Mundarten zu neuem Leben erwecken. Liebe Reisende: When in Rome do as the Romans. Oiso nacha, Pfüat eahna Gott und moin moin ollamitanand.
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