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Das Affentheater mit den Menschenaffen

Böser Travis. Nun ist es so weit. Er hat den guten Leumund seiner Art um Jahrtausende zurückversetzt. Und das ausgerechnet im Darwin-Jahr!

Die Rede ist natürlich vom Schimpansen Travis, der Mitte Februar in einem vornehmen Vorort des US-Bundesstaats Connecticut ausrastete und mit bloßen menschenähnlichen Händen einer Frau sowohl das Gesicht wie auch andere Körperteile demolierte, bevor er von einem beherzten Polizisten niedergestreckt wurde. Der Grund für sein Fehlverhalten liegt nach wie vor im Dunkeln. Eine Theorie: Er habe unter der von Zecken übertragenen Borreliose-Krankheit gelitten. Im dichtbewaldeten Connecticut ist diese Krankheit weit verbreitet und führt gelegentlich – zumindest bei Menschen – zu Wahnvorstellungen.

Travis lebte 14 Jahre – von seiner Entwicklung her war er also wie ein etwa dreißigjähriger Mensch. Er galt als brav, hatte eine Lieblingspuppe, fuhr gerne im Auto mit, war fingerfertig, konnte Türen aufschließen, schlief im Bett mit seiner Betreuerin und hatte eine Karriere als niedliches Äffchen in der Werbung hinter sich. Wahrscheinlich hat er besser verdient als ich.

Soweit ich weiß, zählte er aber nicht zu den Schimpansen, die der Gebärdensprache mächtig waren. Auch hat er nicht wie seine Artgenossin Vicki ein paar Brocken Englisch sprechen gelernt. Vicki wurde Anfang der 50er Jahre von einem Psychologenehepaar wie ein Menschenkind erzogen. Sie krächzte „mama“, „papa“, „cup“ und „up“ in mehr oder weniger verständlichem Englisch. Sie hatte das Staubwischen und Wäschewaschen und vieles andere mehr gelernt, war also ein Musterkind. Dann kam das putzige Äffchen in die Pubertät. Es legte sich – wie die meisten Teenies – mit den Zieheltern an. Schimpansen sind aber sehr stark. Das Psychologenehepaar musste Vicki mit einem Stock züchtigen. Zunehmend verlernte die aufmupfige Äffin die guten Manieren – inklusive Stubenreinheit - der Kinderstube. Bald lehnte sie es ab, in ihrem Bettchen zu schlafen. Sie zog es vor, sich ein Nest einzurichten. Obwohl gut ernährt, schnappte sie für ihr Leben gerne nach Heuschrecken, um sie sogleich zu schnabulieren.

Auch die liebe Lucy von der in den 60er Jahren zu hören war, hat es nicht geschafft, ein Mensch zu werden. Auch die hatte die ersten Jahre – wie Vicki – als Ersatzkind eines Psychologenehepaars verbracht. Musterschülerin am Tisch, eifrige Leserin von Zeitschriften. Der angesehene Primatologe Roger Fouts hatte ihr Englischnachhilfe in Form von 140 Handzeichen aus der Gebärdensprache beigebracht. Alles änderte sich mit der Pubertät. Sie wurde zu einer leidenschaftlichen Gin-Trinkerin, entdeckte die Zeitschrift „Playgirl“ und befriedigte sich mit einem Staubsaugerschlauch, während sie sich in die Bilder vertiefte. Das ist freilich nicht weiter schlimm. Erwachsene haben nunmal ihre Mätzchen. Doch nicht ganz zufällig entschloss sich das Psychologenehepaar um diese Zeit auf Lucys Gesellschaft zu verzichten. Man fand, was die ideale Lösung für ihr künftiges Leben zu sein schien: Man verschiffte den einst so verwöhnten Menschenaffen nach Afrika. In Gambia bezog sie eine Anlage, wo verkorkste Schimpansen lernten, wieder Tiere zu werden. Leider war das Leben als Tier für Lucy zu fremd geworden. Anders als die nach Heuschrecken schnappende Vicki war Lucy völlig instinktlos geblieben, was ein Überleben im Urwald erheblich erschwerte. Die Dschungelprinzessin sehnte sich so sehr nach Menschen, dass sie schließlich zur leichten Beute von Wilderern wurde. Als man das skelettierte Resttier entdeckte, fehlten die Füße und die Hände mit denen sie einst in Gebärdensprache ihre Wünsche ausgedrückt hatte. Sie waren wohl zu einer leckeren Mahlzeit für hungrige Jäger geworden.

Die ersten Schimpansen trafen Ende des 19. Jahrhundert in den USA und in Europa ein. Man bestaunte sie in Tierparks und auf der Varieté-Bühne – und sie bestaunten uns. Im Darwin-Jahr kann man ruhig zugeben, dass wir verwandt sind. Dennoch, liebe Tierfreunde, bleiben unüberbrückbare Unterschiede. Ich bin sicher, dass jeder sprechende Affe dies ohne Wenn und Aber bestätigen würde. Schade, dass Travis nie das Sprechen gelernt hat.

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