Freund M. wollte unbedingt, dass ich heute über das Wort „Kultur“ schreibe. Ich weiß, worauf er hinauswollte. Wie viele Menschen, ist auch er der Meinung, dass mit der „Kultur“ etwas momentan faul ist.
Ja, hat er recht. Das heißt: Er hätte recht, wenn ich nur wüsste, was er mit „Kultur“ meinte! Umgangskultur? Debattenkultur? Guten Ton?
Dann schlug Meine Frau vor, dass ich etwas über die Begriffe „Bürger“ und „Mitbürger“ schreibe.
Eine kurze Suche beim Vorsitzenden Google verrät mir, dass es gegenwärtig zum guten Ton gehört, über Bürgende zu schwadronieren, zumal es vielen klar geworden ist, dass „Mitbürger“ nicht gleich „Bürger“ sind. Politikerinnen verwenden das Wort hauptsächlich, wenn sie auf Minderheiten („türkische“ oder „jüdische“ „Mitbürger“) hinweisen. Es sollte längst offensichtlich sein, dass „Mitbürger“ nicht mehr in die heutige Umgangskultur passt.
By the way: Menschen wie ich, d.h., aus fremden Kulturen und ohne dt. Pass, werden von Politikerinnen und Journalistinnen aus Gründen der Rücksichtnahme oft „ausländische Mitbürger“ tituliert. Also jetzt wissen Sie, wer ich bin.
Jeder weiß längst, dass „Bürger“ früher die Leute waren, die auf dem Berg in einer Burg lebten. Noch heute nennen die Schweizer ihre „Bürger“ „Burger“. Von den Bewohnern in Ham und Augs ganz zu schweigen.
Nebenbei: Auf Englisch kann man sowohl ein „citizen“ („Bürger“) wie auch ein „fellow citizen“ („Mitbürger“) sein. Der „fellow citizen“ wird aber nie zu Bürgerin zweiter Klasse degradiert. Im Gegenteil. Wenn sich eine Politikerin bei jemanden einschmeicheln will, dann sagt sie „My fellow citizens“. Notabene: Das Wort wird immer im Plural verwendet. Gleiches gilt für „Mitbürger“. „Citizen“ und „Bürger“ hingegen sind auch im Singular brauchbar. Beispiel: „Ich bin ein Bürger dieses Landes!! Ich habe meine Rechte!! usw. Gleicher Effekt gilt fürs Englisch.
Doch nun zurück zu „Kultur“. Wie schon gesagt: Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeuten soll, außer dass es etymologisch mit „kultivieren“ verwandt ist und sich ursprünglich auf den Anbau von Nutzpflanzen und Blumen etc. bezog. Voltaire hat geschrieben „Il faut cultiver notre jardin“. D.h.: Wir müssen unseren Garten pflegen. Das war allerdings der Spruch eines Naivlings namens Candide.
Früher kannte man etwas mit dem Namen Debattenkultur usw. nicht. Dafür hat man bereits im 18. Jh. Bakterienkulturen gezüchtigt.
Aber so viel zu den Themenvorschlägen meiner Frau und meines Freunds M. Zugegeben, es sind nette Ideen, aber ich werde über diese Sachen nicht schreiben. Fragen Sie beim Vorsitzenden Google an. Sie weiß ohnehin beinahe alles.
Heute schreibe ich lieber über die Hölle.
Denn gerade erfahre ich, dass eine Ransomware-Verbrecherin ganz unerwartet gestorben sei. Den Namen verrate ich nicht. Es gilt nur zu sagen: Wenn ein Mensch stirbt, wird das Hirn sofort abgeschaltet – und zwar für immer. Der Tote vergisst also sehr viel sehr schnell. Erinnerungen werden faserig – so wie, wenn man aus einem Traum erwacht und will sich an den Traum erinnern. Was nicht verschwindet sind die Folgen von den Handlungen der Neutoten.
Unserer Ransomware-Verbrecherin ist plötzlich wo anders. „Wo bin ich?“ fragt sie. Doch keiner gibt Antwort.
Mit einem Mal aber spürt sie einen heftigen, schmerzvollen Stich – irgendwo im unirdischen Leib. Ich weiß leider nicht, wo genau. Und dann wieder einen Stich und wieder einen Stich…“Aua“, sagt sie.
Wissen Sie, was das für Stiche sind? Es ist das Leiden von Menschen auf Erden, die Opfer der Ransomware-Verbrecherin waren. Und das Leiden wächst kontinuierlich, logarithmisch praktisch, weil die Wirkungen dieser scheußlichen Ransomwaremasche erhebliche Folgen haben. Eine Art Kettenreaktion geht vonstatten.
„Wo bin ich?“ fragt die Ransomware-Verbrecherin wieder.
„Du bist jetzt Mitbürgerin in der Hölle, Schwesterlein.“ Es spricht unter erheblichen Schmerzen die Seele eines Menschen, der einst Selbstmordattentäter rekrutierte. „Hier gibt es keine Kuschelkultur, keinen Urlaub auf den Malediven, nur Stiche – aua – bis die letzten Impulse und Folgen deines Verbrechens erlöschen. Kann lange dauern, Schätzchen. Aua!“
Das sagt der Rekrutierende. Ich erzähle nicht von den anderen unmittelbaren Nachbarn. Lesen Sie lieber Dante, liebe Mitbürgende.
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