Erstaunlich aber wahr: „Bill Gates“ zu googeln ergibt mehr Treffer als „Sprachbloggeur“. Wer hätte das gedacht?
Aber ich gönne es Bill. Er ist fleißig und hat hart gearbeitet, um so viel zu erringen. Vielleicht ist er deshalb für manche Menschen irgendwie zu einem Symbol geworden. Und wie jeder weiß: Symbole sind mehr als nur Menschen.
Und damit kommen wir zu den „Memen“. Ich hab vor längerer Zeit über dieses Thema geschrieben, aber jetzt wieder. Denn der Begriff „Meme“ – das ist eine Mehrzahl, im Singular heißt das Ding „Mem“ – ist ein nagelneues postpostmodernes Konzept, das sich viral ausbreitet und bedarf nunmehr weiteren Erklärung.
Wer damit prahlen will, dass er auf den Laufenden ist, benutzt das Wort „Mem“ gerne. Ich zum Beispiel. In diesem Text steht das Wort bereits viermal, was nur bedeuten kann, dass ich auf den Laufenden bin! Und ich bin mit meinen „Memen“ längst nicht am Ende!
Aber zurück zu Bill Gates. Wie schon angedeutet, ist auch er bereits ein „Mem“ – vor allem im wohlernährten Kreis der Verschwörungstheoretiker, die hauptsächlich in der westlichen Welt daheim sind.
Schauen Sie den Bill an. Er ist superreich, jettet durch die Welt, will ganz Afrika gegen Krankheiten impfen lassen, verschenkt mehr Geld monatlich als manche von uns im ganzen Leben verdienen…doch dann kam das Corona Virus.
Was machte Bill? Schon wieder schaltete er um – diesmal auf der Suche nach einer Impfung gegen das verbiesterte Coronavirus! Sollte man sich freuen…oder? No no no. Prompt brachte sein Engagement die Verschwörungstheoretiker auf den Plan.
Jetzt wird es noch komplizierter…und vielleicht kann mir jemand helfen, diesen Sachverhalt zu entwirren. Ich verstehe die Lage jedenfalls folgendermaßen:
Bill, das Mem, habe irgendwie das Coronavirus aus dem Boden gestampft (in Wuhan oder vielleicht in Israel?). Warum? Weil der verdammte Draufgänger wolle die ganze Welt zuerst krank machen, um sie dann durch eine teure Impfung wieder gesund zu machen. Und was habe er davon? Was sonst? Geld! Geld! Geld! Und: Ruhm! Ruhm! Ruhm!
Soviel zur Verschwörungstheorie. Man muss aber zugeben: Sie ist rund, ist in sich logisch verschlossen, und natürlich total beknackt.
Aber nochmals die „Memen“. Urheber dieses Begriffs – auf Englisch „Meme“ (sprich „miem“) im Singular, „Memes“ im Plural – war 1976 der Biologe Richard Dawkins. Ihm schwebte Informationenpartikel vor, ähnlich den biologischen Partikeln namens Gene. Die „Meme“ und die „Gene“ hatten – Dawkins zufolge – die gleiche Aufgabe: eine Eigenschaft zu replizieren und weiter zu tradieren. Zudem: Wie die Gene konnten auch die „Meme“ mutieren.
Alles Mögliche kann als „Mem“ gelten: ein TikTok-Tanz; eine besondere Handymarke; ein Spruch (‚Ich seh dir in die Augen, Kleines‘); Vorurteile gegen Ostfriesen, Polen, Juden…Deutsche(!); geile Frisuren; Sneakers…you name it.
Ich fasse kurz zusammen. „Meme“ sind keine Lebewesen. Sie sind Kräfte, die an Menschen haften, um dann ihren Einfluss – für Gut oder Böse – geltend zu machen. Anders gesagt: Sie fallen uns an, weil sie uns brauchen. Denn sie bleiben nur durch uns – bzw. nur durch ihren Einfluss an uns – am Leben!
Moment. Kommt Ihnen diese Beschreibung irgendwie bekannt vor?
Mir schon. Ein Phänomen, das selbst kein Lebewesen ist und nur durch richtige Lebewesen am Leben bleibt, während es den Gastgeber gleichzeitig beeinflusst…das klingt irgendwie wie ein Virus!
Jawohl! „Meme“ sind wie Viren. Und wer ein „Mem“ weitergibt, ist wie einer, der ein Virus schleudert. Und wenn einer aus Bill Gates ein „Mem“ macht und dieses „Mem“ weitergibt, wird selbst zu einer Virusschleuder!
Notabene: „Einfluss“ auf Italienisch heißt „Influenza“.
Und jetzt kommen wir zum Ausgangspunkt zurück: zu den Verschwörungstheoretikern, die das „Mem“ Bill Gates als Virusschleuder darstellt. Somit wird das Virus zu einem „Mem“ und ein „Mem“ zu einem Virus“. Alles klar?
Willkommen auf der Erde. Hier ist alles kompliziert.
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