Hilfe! Die Menschen sind weg! Oder wenn sie doch da sind, dann nur in weiter Entfernung! Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass wir jetzt in den 20er Jahren des jungen Jahrhunderts angekommen sind. Endlich sind wir in der Z u k u n f t gelandet!
Vielleicht muss ich all dies etwas deutlicher zum Ausdruck bringen.
Vor ein paar Jahren – da waren wir noch nicht in den 20er Jahren – habe ich beim Kundendienst der Süddeutschen Zeitung angerufen. Ich wollte nämlich zwecks Urlaub die Zustellung unterbrechen.
Die übliche Roboterstimme ratterte mir am Telefon eine Menge Optionen vor. Dann sollte ich – nach dieser mühsamen Unterweisung – noch dazu – meine Abo-Nummer auf die Telefontastatur eintippen.
Ca. zehn Minuten waren schon vergangen, und ich hing immer noch an der Strippe. Auf einmal wurde mir das Prozedere zu viel, und ich begann sehr ungebührliche Dinge in den Hörer zu schreien. Und dann passierte es. Die Roboterstimme sprach mich ruhig an. „Ich kann Sie nicht verstehen“, sagte sie. „Ich werde Sie mit einem unserer Mitarbeiter verbinden.“
Notabene: Die Roboterstimme sagte „mit einem unserer Mitarbeiter“ und nicht „mit einem oder einer unserer MitarbeiterInnen“. Etwas ist bei der SZ gendertechnisch wohl schiefgegangen.
Nun hörte ich die Stimme eines echten Menschen, die eines Mannes in diesem Fall. Oder vielleicht klang er oder sie wie ein Mann und war keiner. Keine Ahnung. Ich hab ihm jedenfalls mein Anliegen vorgetragen. Er war außerordentlich zuvorkommend. Am Schluss erzählte ich ihm von meiner Irritation mit der Roboterstimme.
„Ach“, sagte er. „Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn der Roboter spricht, sagen Sie einfach gleich ‚Mitarbeiter!‘ ein paar mal. Sie werden sofort mit uns verbunden.“
Das mache ich seitdem immer, wenn ich die SZ anrufe. Und es funktioniert.
Mit dieser Strategie im Kopf habe ich neulich bei IKEA angerufen, um jemanden zu fragen, wo ich auf der Online-Seite Regalböden für ein Billy finde. Denn es war unmöglich dies auf der komplizierten Webseite zu eruieren.
Es begrüßte mich eine muntere Roboterstimme, die sich anders als bei der SZ gar nicht betulich anhörte. „Hej!“ sagte die Stimme. Ich glaube, dass „hej!“ auf Schwedisch „hi“ bedeutet. Ich weiß, dass die Dänen „hei!“ sagen.
Ich fand es zunächst schön, dass die Stimme nicht betulich klang, sondern richtig sympathisch. Es folgte dann die obligatorische Optionsliste. Im Sinne meiner Erfahrungen bei der SZ sagte ich aber freundlich und doch bestimmt das Wort „Mitarbeiter“. Dies wiederholte ich zwei oder dreimal. Vergeblich. Denn die muntere Hej!-Sagerin setzte das Runterrattern der Optionsliste munter fort.
Irgendwann wurde es mir aber zu bunt, und ich begann wüst zu schimpfen. Hat nix gebracht. Es war mir nun klar: Ich musste mir wohl doch eine der Optionen auswählen. Ich habe also „Bestellungen“ gesagt. Doch nun wollte die immerdar muntere Stimme meine Postleitzahl erfragen. Ich antwortete aber nur „Mitarbeiter! Verdammt!“
Immerhin versprach mich die Roboterstimme tatsächlich endlich weiterzuleiten. Von wegen.
Sie sagte lediglich nach wenigen Sekunden ganz mechanisch: „Alle Mitarbeiter sind mit anderen Kunden beschäftigt. Bitte rufen Sie später an.“ Und dann legte der Roboter ein! Klick!
Ich habe dieses Prozedere ein paarmal wiederholt. Immer mit dem gleichen Ergebnis.
Meine Theorie: Bei IKEA sind die Menschen weg – für immer. Heute habe ich in den Nachrichten gelesen, dass Astronomen einen erdähnlichen Planeten entdeckt haben, der ganz in unserer Nähe zu sein scheint, d.h., lediglich 100 Lichtjahre entfernt! Er dreht sich allerdings synchron mit der dortigen Sonne, so dass eine Seite des Planeten immer hell ist, während die andere Seite stets im Dunkel ist.
Ich bin überzeugt, dass IKEA – und vielleicht auch andere Firmen – ihre Mitarbeiter auf diesen Planeten ausgesiedelt haben – wahrscheinlich auf der dunklen Seite, wo man sie besser verstecken kann.
Ich hoffe, dies ist kein Vorzeichen für weitere Entwicklungen im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.
Leider weiß ich immer noch nicht, wie man sieben Billy-Böden bei IKEA bestellt.
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