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Google „Du“ und Axel „Er“

Er hieß Axel. Das weiß ich noch genau. Und seine Frau war die…ähm…verdammt! Hab den Namen vergessen. Ist ja egal. Vielleicht fällt er mir später wieder ein. Wir sagten aber nie „Axel“ und „…“ zu ihnen, sondern stets „Grüß Gott, Herr…, Grüß Gott, Frau… Auch den Nachnamen hab ich vergessen!

Es war das Inhaberehepaar eines Obstundgemüseladens in einer Gegend, wo ich einst gewohnt hatte. Bin neulich vorbei gefahren. Ich glaube, es gibt sie noch.

Axel…bzw. Herr…war der einzige Mensch, der in all den Jahren, die ich in München bin, die dritte Person singulär verwendete, um seine Kunden zu siezen.

Klar: Manchmal hört man auch heute ein: „Was möchte der Herr?“ oder ein „Hat die Dame noch einen Wunsch?“ usw. Axel war viel radikaler. „Grüß Gott, Herr Blumenthal“, empfing er munter, „Was darf ich Ihm heute anbieten?“ „Kann ich Ihn mit noch etwas bedienen?“ usw.

Hand aufs Herz. Es war so. So hat er geredet.

Auf dieses …“Erzen“... keine Ahnung, wie man es sonst bezeichnen sollte, bin ich, abgesehen von Axel, ausschließlich in der dt. Literatur des 19. Jahrhunderts und noch früher gestoßen. Vielleicht ist es ein ländliches Sprachrelikt. Ich wüsste aber nicht, wen ich fragen sollte. Frau M. von Paradies, hat die Zelte leider abgebrochen. Sie wüsste es ganz bestimmt.

Eigentlich ist das mit dem Erzen nicht mein Thema. Es steht hier lediglich als Kontrapunkt zu dem, was mich heute in Wirklichkeit auf der Leber liegt …und zwar zu dem unbotmäßigen Grassieren des Duzens.

Nein, hier kein Gemecker über die Begeisterung der sog. „Millenials“ fürs „Du“. Junge Leute duzen immer gern…im Grunde, weil sie noch unweit der Grenze der verflossenen Kindheit angesiedelt sind…und sie duzen sorgenfrei weiter, bis sie schließlich feststellen, dass nicht jeder da draußen freundlich gesinnt ist. Erst dann entdecken sie den Zauber des Siezens, das für das Grauen der Welt wie maßgeschneidert kreiert wurde.

In vorliegender kurzer Meditation geht es vielmehr um jene Firmen, genauer gesagt, um jene Firmen, die eine prägende Präsenz im Internetbusiness haben, die ihre Kundschaft anbiedernd mit „du“ ansprechen. Meistens sind das neureiche Multis.

Zum Beispiel folgende Mail, die ich jüngst von Airbnb erhalten habe. Es ging um eine rein juristische Angelegenheit: das (abermalige) Aktualisieren der Nutzungsbedingungen. Nutzungsbedingungen sind, wie jeder weiß, alles anders als unterhaltsam, geschweige denn kurz. Airbnb, bei dem ich eigentlich kein Kunde bin, hat mir die veränderten Nutzungsbedingungen zugeschickt mit dem Kommentar: „Danke, dass du ein Mitglied unserer weltweiten Community bist.“ Nebenbei: „Du“ war kleingeschrieben, was heute häufig vorkommt. Über die Vokabel „Community“ brauch ich keinen Kommentar abzugeben.

Ach ja. Die Mail war außerdem an „Hallo P.J.“ adressiert. Junge Menschen (wie beim Duzen) sind weniger empfindlich, wenn sie von Fremden mit Vornamen angesprochen werden. In England und in den USA ist diese Umgangsform sogar sehr verbreitet. Manche vermuten deshalb eine „Infantilisierung der Gesellschaft“. Auf dem Kontinent sind wir (noch) anders. Achtung, kurzer Hinweis: Keine multinationale Firma ist Dein/e Freund/in.

Aber weiter. Zum Beispiel, Notebooksbilliger. Dieses Elektronik-Gigant (auch wenn eine dt. Firma) ermuntert in der Werbung: „Spare“ und duzt sonstwo stets. Oder Sony: „Hi Konsument, vielen Dank für dein Feedback…“ Das habe ich auf Amazon ausgegraben. Es war die Antwort auf eine Kundenbeschwerde in einer Bewertung.

Amazon selbst hingegen siezt (brav), nennt mich aber „P.J.“ (buuh). Auch Ebay beherrscht das Siezen (brav), P.J.t mich aber (buuh). Uber siezt erwartungsgemäß nicht. Diese Raubritterbeförderungsgesellschaft schreibt auf ihrer Webseite: „Mit Uber kannst du ganz einfach Reisen planen…“etc.

Ich könnte obige Liste beliebig lang und differenziert fortsetzen. Oder schauen Sie sich selber um. Übrigens: Bei Google sind Sie ein Du.

Deutschland, hören Sie mich? Das „Siezen“ ist Ihr Tafelsilber. Bitte nicht verscherbeln!

Ach! Jetzt fällt‘s mir ein: Axels Frau hieß Andrea. Sie hat nie geerzt aber stets gesiezt. Der Nachname schlummert noch immer in Lethe.

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