Vor vielen Jahren erklärte mir ein junger amer. Wissenschaftsjournalist, er habe von einem Experten erfahren, dass sich die deutsche Sprache immer mehr der englischen angleiche – Tendenz steigend. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass sich das komplexe Gebilde namens deutsche Mehrzahl radikal vereinfachen werde, so dass kein Fremder mehr verzweifelt nach der passenden Form suchen müsste.
Dies werde sich so bewerkstelligen, dass die dt. Mehrzahl– wie die englische – lediglich durch die Anfügung eines „S“ zu bilden wäre! Puff! Abrakadabra!
Bye bye Hund/Hunde, Korn/Körner, Apfel/Äpfel, Körper/Körper, Bild/Bilder, Motor/Motoren. Hallo Hunds, Korns, Apfels, Körpers, Bilds, Motors.
Stellen Sie sich vor, wie viel Strom bzw. Tinte (je nachdem ob digital oder analog reproduziert wird) man*In durch diese Innovation sparen würde. Ja, und wie viel weniger CO2 (igitigit) in die Atmosphäre herausgeschleudert werden würde! Nach kürzester Zeit wird‘s bestimmt wie vier Flüge hin-und-zurück London/New York sein.
Wäre es nicht allemal schöner, wenn wir über „Balkons“ anstatt „Balkone“ redeten? (Tatsache ist: „Balkons“ steht bereits im Duden). Nur eine Frage der Zeit, bis auch ähnliche Neuerungen in der Pluralbildung ebenso salonfähig werden. „Liebe Zuhörers, wir haben Zeit für Frages“.
Nebenbei: Diese Änderungs, die mir damals abenteuerlich und widersinnig vorkamen, könnten in der Tat bald realisiert werden. Denn die Zeit ist endlich gekommen, wo man ernsthaft über diese Dings reden könnte! Vor allem dank dem Gender-Kulturkrieg. Man*In ist heutzutage mehr denn je offen für einen Paradigmenwechsel. Die Studierendenschaft vieler Universitäts geht bereit auf die Barrikaden, um die deutsche Sprache gerechter zu gestalten.
Auch nicht zu vergessen: Viele deutsche Unis (sehen Sie: „Unis“!) haben ihre Pforts (nicht mit einem ähnlich klingenden Wort zu verwechseln bitte) für Studierends aus anderen Herr*Innenlands geöffnet. Und: um das Lernen für Austauschstudierends zu erleichtern, wird der Unterricht sogar auf Englisch abgehalten.
Eine Journalist*In der NY Times, Pamela Druckermann, staunte neulich nicht schlecht, als sie feststellte, dass auch in Frankreich – wo man*In früher nur mit Widerwillen ein Wort en anglais redete – , die einst verpönte Fremdsprache überall gern parliertp wird. Oui, c’est vrai.
Frau*In Druckermann rechne damit, dass sich die englische Sprache nach und nach – je nachdem, wo sie gesprochen wird – in diverse Dialekts zerspalten wird. D.h.: Chineses, Inders, Deutsches, Französes, Italieners etc. werden alle einen anderen englischartigen Dialekt sprechen. Irgendwann werden sie sich gegenseitig nicht immer verstehen!
Es wird sein wie es immer war: Spraches werden sich ändern. Aus einer einzigen Sprache könnten dann viele entstehen – wie einst sich die romanischen Spraches aus dem Lateinischen bildeten.
Es gibt allerdings eine Kehrseite zu dieser Entwicklung, mutmasst Frau*In Druckermann: Während überall Mensches Englisch verstehen, werden die englischen Muttersprachlers im Nachteil sein. Solange die Amis und Brits am Tisch mit den anderes sitzen, wird natürlich Englisch gesprochen. Steht der englische Muttersprachler*In auf, um meinetwegen aufs Klo (M/W/D) zu gehen, werden die anderes plötzlich wieder in der fremden Muttersprache hablieren, parlieren, pratten usw.
Fazit: Der Amerikaner*In bleibt weiterhin auf der Strecke als einsprachiges Menschentier, während alle andere über jede Menge Fremdspraches verfügen.
Das Ergebnis: In fünfzig Jahren verstehen wir uns möglicherweise nicht mehr. Lauter neue Spraches und noch immer so viel zu sagen.
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