Die Sache begann am Sonntag in der Frühe während eines gemütlichen Gesprächs mit meiner Frau. Sie erzählte von den amerikanischen high-school-girls aus der Stadt Gloucester (sprich "glossta“) im Bundesstaat Massachussetts, die reihenweise schwanger geworden sind.
Zufällig hatte auch ich neulich etwas darüber gelesen, wir schüttelten beide den Kopf und stimmten überein, dass es sich wieder um eine verrückte Massenhysterie handele. Es stellte sich übrigens heraus, dass der Auslöser dieser Massenempfängnisorgie der neue Film "Juno“ war, die Geschichte (und das rührendlustige Abenteuer) eines geschwängerten Mädchens. Achtung Hollywood! Was du lieferst, ist nicht nur Unterhaltung!
Nun redeten wir über die Massenhysterie schlechthin. Ich bot ein noch makabreres Beispiel an. Ich erzählte von den "conversion parties“, zu Deutsch, "Bekehrungsfeiern“, die unlängst in den USA unter manchen Homosexuellen der letzte Schrei sind. Genauer gesagt, es handelt sich um das Bestreben einer kleinen Gruppe homosexueller Männer, sich mit HIV zu infizieren. Nein, ich mache keinen Witz. Dieses abartiges Phänomen wird "bug chasing“, etwa "Keimjagen“, genannt.
Nachdem ich von den "bug chasers“ erzählt hatte, sagte ich meiner Frau, "Ich meine, hello?!, sind die Leute alle verrückt geworden!“
Nun bemerkte meine Frau, "Weißt du, das ist das erste Mal, dass du, 'hello?!’ sagst?“
Sie hatte recht. Dieses englische "hello?!“ und sein deutsches Pendant "hallo?!“ sind Neulinge in der „Hallo-Familie“ und ergänzen das Bedeutungsspektrum des uralten Ruf- und Grußworts. "Hello?!“ (bzw. "hallo?!“) drückt in einem knappen Wort in etwa "bist du noch ganz bei Sinnen?!“ aus. Die Vokabel wird übrigens (zumindest im Englischen) gesungen, wie ein chinesisches Wort: ein hoher Ton, der dann sinkt und wieder steigt.
Ich kann den Ursprung des neuen Zweigs der "Hallo-Familie“ leider nicht hundertprozentig zeitlich festlegen. Ich zweifele aber, dass das Wort auch vor bescheidenen fünf Jahren (außer vielleicht vereinzelt) verwendet wurde. Es ist jedoch eindeutig ein US-Importschlager. Davon bin ich überzeugt. Darüber hinaus: Wenn ich die exotische Tonlage vernehme, spüre ich spontan die warme Küste Kaliforniens. Immerhin habe ich sieben Jahre meines Lebens in diesem damaligen Jugendparadies verbracht.
Ich bin mir ebenfalls sicher, dass es noch nicht im Gebrauch war, als ich Mitte der 90er Jahre im US-Bundesstaat Maine lebte. Die deutsche Version höre ich erst seit kurzer Zeit.
Warum erzähle ich Ihnen diese lange Geschichte über Massenhysterien und meinen Gebrauch des Wortes "hello?!“? Weil "hello?!“ ein Primabeispiel für die kaum bemerkbare Wirkung des Sprachwandels ist. Sprachen verändern sich minütlich. Wir merken es nur nicht. Das alte "hello“/“hallo“ wurde also um eine neue Bedeutung ergänzt, ohne dass es mir (und auch vielen anderen) aufgefallen wäre. Zunächst tauchte das Wort wohl ausschließlich in Jugendkreisen auf, wo es sich gewiss eine Weile "herumgesprochen“ hatte, bis es die Grenzen der Jugendsprache endlich gesprengt hatte. Und dann, zack! Man sagt es plötzlich beinahe automatisch – als normalen Teil des Wortschatzes. Was heißt hier "man“? Ich selbst habe es in einem Satz verwendet! Auch ich trage zum Sprachwandel bei.
Die Ausbreitung von neuen Wörtern unterliegt ähnlichen Gesetzen wie die Massenhysterie, meine ich. Nur: Man wird gottlob äußerst selten von neuen Wörtern krank oder schwanger.
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