Schon 2015 wusste die „Welt“ Bescheid. Noch früher (2014) war die TAZ auf dem Laufenden. Ich habe erst gestern davon erfahren. Und Sie? Wissen Sie schon, was das bedeutet „Vocal Frying“?
Oder versuchen wir’s mittels des ungebräuchlichen deutschen Pendants. Wissen Sie schon, was eine „Schnarrstimme“ ist, auch „Strohbass“ genannt (in diesem Sinn allerdings eine Gesangstechnik)? Oder wie es in Österreich heißt: ein „Stimmbrutzeln“?
Ich bin erst am Wochenende auf diesen Begriff gestoßen. Und zwar in der amer. politischen Komik „Doonesbury“. Vielleicht hat’s beim Zeichner Garry Trudeau auch so lange gedauert wie bei mir, bis er „in the know“ war. Oder vielleicht erlebt diese faszinierende Sprechmode erst jetzt wieder ihren zweiten Frühling.
Was ist „Vocal Frying“? Es sind vorwiegend junge Frauen, so hab ich erfahren, die sich dieser Sprechtechnik bedienen und zwar, um very sophisticated zu klingen. Es hört sich an, wenn man so redet, als würde frau (seltener man) in einem Atemzug gurgeln und stark affektiert reden. Do you know what I mean, darling?
Beispiele findet man reichlich auf YouTube. Auf YouTube findet man beinahe alles reichlich. Ich persönlich halte das Stimmbrutzeln nicht für was Neues. Mich erinnert dieser affektierte Akzent an der Art zu reden, zu der amer. Schauspielerinnen in den 1930er Jahren genötigt wurden. Dju nöo uot I mien, dahling?
Ich glaube, gelesen zu haben, dass heute insbesondere die Hollywoodsternchen (sorry, no names), die „Promis“ also, so schnarren.
Die Vorgängermode zu Vocal Frying hieß übrigens „Upspeak“ und ist wohl immer noch nicht ausgestorben. Diesem Sprechmodus zufolge schließt man (und frau) jeden Satz mit einer Erhöhung (up) der Stimme (speak), als würde man/frau das ganz Leben in Frage stellen. Sicherlich finden Sie auf YouTube auch reichlich Beispiele dieser Unsitte. Die Sache hört sich folgendermaßen – auf Deutsch übertragen – an: Gestern bin ich in die Stadt gegangen? Und stell dir vor? Ich stelle fest, dass ich mein Phon vergessen habe? Welch Ka-ta-stro-phe? Usw.
Die Generation der Upspeakers dürfte heute um die Mittevierzig sein und längst eigene Kinder haben, wohl auch darunter Vocal-Fryers. Ob sie sich vertragen?
Nur eine Fantasie.
Nebenbei: Vor der Generation der Upspeakers und der Vocal Fryers trillerten die „Valley Girls ”, zu Deutsch „Talmädchen“, eine Bezeichnung, die sich eigentlich auf das „San Fernando Valley“, eine Landfläche, die nördlich von Los Angeles liegt, bezieht. Die Girls redeten betont lässig, laut und nasal. Nach jedem Satz pafften sie de rigueur an einer Zigarette – damals hat frau (und man) noch gern geraucht. Das Gesagte klang stets überkandidelt. Es war aber, wie gesagt, ein Mädchendialekt. Nur einen Jungen kannte ich, der so schrill redete – noch schriller als seine Freundin, was mir damals seltsam vorkam. Doch bald hatte er keine Freundin mehr. Er hat sich als schwul geoutet.
Noch hab ich diese wissenschaftliche Studie zum Thema nicht fertig recherchiert. Ich meinte aber, es wäre heute nett, endlich wieder etwas schön Belangloses zu schreiben, etwas passend zu den sonstigen Belanglosigkeiten, mit denen wir täglich ermuntert werden, unsere Zeit zu verplempern. Zum Beispiel YouTube, Instagram, Spiegel Online, Apps etc. Bloß nicht etwas, was mit dem Sinn unseres kurzen irdischen Daseins zu tun hat.
Aber da man gerade beim Thema Sprechmoden ist: Gibt es Ähnliches im dt. Sprachraum? Ich denke, schon. Aber vielleicht anders in den USA. Zum Beispiel die Tendenz unter jungen Mädchen wahnsinnig schnell zu reden. Doch das war schon immer der Fall, oder?
Oder die taffen Jungs. Sie bedienen sich gern eines Deutsch-mit-Migrationshintergrund-Akzents. Das tun sie, auch wenn sie und ihre Eltern und Großeltern hier geboren waren. „He, Monn, willst Schläge? Ick gib dir Schläge. Kapiert?“ usw.
Nun, das reicht für heute. Sonst wird dies nur noch zu einer dummen Meditation übers Leben und den Tod. Und das wäre ganz gewiss nicht modisch.
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