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Streifzug durch die Geschichte Ihrer Bank

Fangfrage: Wie nennen Sie den Menschen, mit dem Sie über Ihr Depot konsultieren (falls Sie ein Depot haben)?

Es hat mir Mühe gekostet, obigen, sehr komplizierten Satz zu formulieren, damit ich die Antwort mit der Frage nicht gleich verrate.

Um Missverständnisse auszuräumen: Ich meine hier nicht den netten Menschen, mit dem Sie am Schalter Kontakt haben. Mit dem brauchen Sie keinen Termin zu vereinbaren.

Keinen Stress. Dies ist keine Prüfung, lediglich der Einstieg in einen sprachgeschichtlichen Exkurs.

Doch jetzt zur Sache.

Als ich 1975 in Deutschland ankam, bezeichnete man diesen Menschen als „Bankier“ (sprich: bahn-k‘jej), was eigentlich die Verdeutschung des französischen „banquier“ ist.

Dieses Wort ist ein klares Bekenntnis dazu, dass ein Hauch des exotischen (d.h. französischen) um diesen Beruf noch wehte. „Morgen habe ich einen Termin bei meinem Bankier.“ „Mein Bankier meinte, ich sollte eine Staatsanleihe kaufen.“ usw.

Auch ich habe die Vokabel „Bankier“ damals verwendet, obgleich ich selber nicht in der Lage war, einen zu haben, den ich als „meinen Bankier“ hätte beschreiben können. Ich habe mir das Wort einfach übernommen, weil es jeder sagte. So lernt man eine Fremdsprache.

Doch eines Tages gab es plötzlich keine Bankiers mehr – als wären sie beinahe über Nacht von einer mysteriösen Seuche weggerafft worden. Das Wort hörte man nicht mehr – außer im Gespräch mit älterer Herrschaft, die nicht auf dem Laufenden war bzw. sein konnte.

Auf einmal hieß der Mensch, mit dem ich über Aktien, Wertpapiere, Festgeld usw. redete, der „Banker“ (sprich: „bä(n)-kerr). Das Wort wurde eins zu eins aus dem Englischen übernommen. Wir schreiben das Jahr 1981 oder so. Der Gebrauch des Denglischen hatte gerade Hochbetrieb.

Dass aber der Bankier zum Banker wurde, hatte einen anderen Grund als Mode. Damals (genauer gesagt ab 1979) war etwas in der finanziellen Welt geschehen, das den Banker schleunigst zum Schlagwort erhob, so dass er alsbald Einzug in die dt. Sprache nahm:

Damit meine ich die Derregulierung der Banken, die dank einer Entscheidung des US-Kongresses ein Geldtsunami verursachte. Zur Erinnerung: Ab 1979 bekamen die Banken (zuerst in den USA, dann auch in Europa) die Freiheit, hauptgeschäftlich mit Geldanlagen zu brillieren. Wo früher die Bank als Hort der Ersparnisse des kleinen Manns galt, ging es fortan um Investitionen. Neu Deutsch: Investment Banking. Das Sparbuch wurde zum Nebenbrot.

Der Mensch, der den Kunden die Möglichkeit zu profitablen Investitionen animierte, hieß nun der Banker. Und so war die Situation einige Jahre, bis das Wort absolut selbstverständlich wurde.

Zwischen 1994-1998 lebte ich mit Familie in den USA. Während dieser Zeit habe ich offensichtlich einen sehr wichtigen Sprachwandel verpasst. Denn als wir nach Deutschland zurückkehrten, stellte ich fest, dass mein „Banker“ nun mehr „Berater“ hieß.

Warum nicht? hab ich damals gedacht. Immerhin will er – oder sie – mich beraten. Wie soll ich sonst den Irrgarten der Investitionsmöglichkeiten (bzw. Investmentmöglichkeiten) verstehen.

Ich wäre sogar gern dabei geblieben. Doch eines Tages stelle ich erneut fest, dass sich etwas im Bankgeschäft getan hatte. Und es hat mich mächtig überrascht. Ich redete zwar immer noch vom „Berater“. In den Schreiben meiner Bank aber hieß dieser Mensch plötzlich anders. Er (oder sie) war mein(e) „Betreuer/in“.

Und deshalb, liebe Investoren, Investorinnen, haben Sie heute auf der Bank eine(n) Betreuer/in. So jemanden hat man auch im Krankenhaus, in der Irrenanstalt und im Altersheim. Man soll sie nicht verwechseln, behauptet man auf der Bank.

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