Letzte Woche erreichte mich eine Mail in türkischer Sprache. Ich denke, dass es Türkisch war. Vielleicht war es Ungarisch. Nein, das Ungarische hat andere Akzentzeichen. Oder war es vielleicht Finnisch? Nein, definitiv nicht. Das Finnische hat lauter Doppelvokale, die nicht zu übersehen sind.
Auch Türkisch hat Sonderzeichen, manche wie im Deutschen: also „ü“ und „ö“. Auch ein „ç“ hat das Türkische, das wie das französische „ç“ aussieht aber keins ist, da das franz. Zeichen scharfes „Ess“, das türkische „tsch“ bedeutet. Außerdem hat das Türkische ein „ş“, das für „sch“ steht und ein „ğ“, das kein „g“ ist, sondern ein Vokal wie das englische „w“. Herr „Erdoğan“ ist eigentlich Herr „Er-do-uan“.
Deshalb bin ich überzeugt, dass die Mail, die mich letzte Woche erreichte, in türkischer Sprache war. Es hatte all die oben erwähnten Sonderzeichen.
Schade, dass ich den Text nicht lesen konnte. Ich verstehe kein Türkisch, und da ich keine Zeit hatte, Ayaz zu fragen, einen ganz netten Jungen, den ich kenne, habe ich die Mail mehr oder weniger links liegen lassen.
Ein Fehler, wie es sich herausstellte. Denn gestern rief mich Ayaz an.
Ayaz: Weißt du, dass Erdoğan dich in seiner Rede in Istanbul erwähnt hat?
Ich: Mich? Diese Rede vor einer Million Anhängern? Wieso mich?
Ayaz: Weil er nie eine Antwort auf seine Mail an Dich bekommen hat. Das hat er dir sehr übel genommen.
Ich: Ach so! Ja, natürlich. Letzte Woche hab ich so eine Mail auf Türkisch erhalten. War sie von ihm?
Ayaz: Na klar. Er wollte deine Internetplattform benutzen, um einen eigenen Blog zu schreiben.
Ich: Nein. Du machst Witze. Warum ausgerechnet beim Sprachbloggeur?
Ayaz: Weil man ihm weismachte, dass dein Blog über alles beliebt ist in Deutschland. Er meinte, der Sprachbloggeur wäre deshalb der ideale Schauplatz, um gegen die Gülenisten zu schwadronieren.
Ich: Ich bin gerührt, ja geschmeichelt, aber er ist schlecht informiert. Die meisten Hits beim Sprachbloggeur kommen von drive-by-Bots. Es sind keine Menschen, trotzdem aber, geb ich zu, nicht schlecht für das Ranking. Ich wusste ohnehin nicht, wie man ihm das auf Türkisch mitteilen könnte.
Ayaz: Hilft alles nicht. Der Präsident ist untröstlich beleidigt. In seiner Rede wirst du als Beispiel hervorgehoben, wie undemokratisch man sei in Deutschland. Man nehme gern, gebe ungern, sagte er.
Ich: Aber wie kommt er dazu, mir auf Türkisch zu schreiben, wenn ich kein Türkisch kann? Wenn er Deutsch geschrieben hätte, hätte ich ihm vielleicht geholfen, auch wenn ich nicht unbedingt überzeugt bin, dass er recht hat, ich meine das mit den Gülenisten.
Ayaz: Er kann nur Türkisch, und er meinte, dass du als Sprachenkenner auch Türkisch kannst bzw. lernen solltest.
Ich: Und was mach ich jetzt?
Ayaz: Am besten schreibst du ihm eine Entschuldigung, aber auf Türkisch.
Ich: Ich kann aber kein Türkisch.
Ayaz: Dann schreib meinetwegen auf Deutsch oder Englisch.
Ich: Aber du sagtest, dass er nur Türkisch kann.
Ayaz: Egal, er wird ohnehin alles so deuten, wie er will. Ein Tipp aber: Falls du mal eine Reise in die Türkei geplant hast…
Ich: Das will meine Frau schon immer…
Ayaz: Besser wäre es, etwa zwanzig Jahre zu warten. Vielleicht hat er sich bis dahin wieder beruhigt…
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