Es begann mit einem Zufallsfund in einem Antiquariat: ein hübsches blau-weißes Bändchen mit dem provokativen Titel „Bairisch: das echte Hochdeutsch“, ein Titel aus der Reihe „Kauderwelsch“ –meistens sehr brauchbare Sprachführer für unterwegs.
Eigentlich brauch ich als Münchner keinen Sprachführer fürs Bairische, doch der Titel hat mich neugierig gemacht. Bairisch? Das echte Hochdeutsch? Da war ich gespannt, wie der Autor – er heißt Richard H. Kölbl – diese Behauptung glaubhaft machen wollte.
Doch leider weiß ich es immer noch nicht. Denn zufälligerweise blieb ich, beim Durchblättern, im Kapitel über die bairischen Versteigerungsformen hängen. Insbesondere hat mich seine Erklärung für diejenigen Adjektiven, die im Hochdeutsch mit dem Doppelvokal „ei“ versehen sind – z.B., „klein“, „breit“ und „heiß“ - interessiert. Auf Bairisch hoaßen die: „kloa“, „broad“ und „hoaß“. Herrn Kölbl zufolge sind die Regeln für die Steigerung solcher Wörter viel komplizierter als es mir bisher bekannt war.
Um mich genauer über dieses Thema zu informieren, hastete ich nun ins Paradies. Damit mein ich freilich meinen Lieblingsobstladen, wo ich gleich auf Frau M. und Frau D. traf.
Nach kurzer Begrüßung legte ich mit meinem Anliegen los: „Eine Frage: Könnten Sie mir bitte die Steigerungsform von ‚kloa‘“ sagen?
„Hä? Wovon?“ sagte Frau M.
„Hä? Wovon?“ sagte Frau D.
„Von ‚kloa‘“ Inzwischen war mir klar, dass ich das Wort falsch betont hatte. Wie peinlich. „Ich meine das Bairische für ‚klein‘“, fuhr ich kleinlaut fort.
„Also ‚klooa‘“ antworteten beide unisono.
„Ja, genau.“
Frau D. war als erste dran: „Kloaner“, sagte sie.
Dann Frau M.: „Kleaner“.
„Aha!“ sagte ich zufrieden. „Er hat doch recht.“ Ich meinte Herrn Kölbl freili, und ich erklärte, dass meinem „Kauderwelsch“-Büchlein zufolge die Steigerungsform „kloaner“ üblicher in der Stadt ist und „kleaner“ auf dem Land. Das hat mir nun die zwei Damen bestätigt. Eigentlich wollte ich nun weiter fragen – nämlich über die Steigerung von „broad“ und „hoaß“, doch ich kam vor lauter Aufregung nicht mehr auf diese Vokabeln.
Am nächsten Tag war ich wieder im Geschäft. Diesmal war Fr. D. nicht da. Ich interviewte Frau M. dennoch über die Steigerung von „broad“.
„Breader“, erwiderte sie spontan auf ländliches Oberbairisch.
„Ja, genauso steht es im Buch!“ sagte ich. „Und „hoaß?“
„Heasser. Zum Beispiel: Heit is heasser ois gestern.“
Nun war ich zufrieden. Wäre natürlich noch schöner gewesen, wenn ich zum Vergleich Frau D.s Antworten gehört hätte. Wahrscheinlich hätte sie „broader“ und „hoaßer“ gesagt. Aber so ist das Leben. „Aber ‚weiß‘ bleibt ‚weiß‘, auch wenn es noch ‚weißer‘ wird. Gell?“ sagte ich nun. Es sollte nur zum Abschluss ein Witzchen sein, wenn auch lahm.
Doch in diesem Augenblick erschien Fr. B. (nicht mit Fr. D. zu verwechseln). Sie trug einen Eimer voll mit schönsten Sonnenblumen und hatte offensichtlich meinen letzten Satz mitgekriegt. „Stimmt nicht“, sagte sie. „Farben haben keine Steigerung.“
Hmm. Nun musste ich überlegen. „Was ist aber, wenn ich sage, diese weiße Wand ist weißer als die andere?“
„Man kann es auch anders ausdrücken. Zum Beispiel: Dieses Weiß ist intensiver als das andere. So haben wir es schon in der Grundschule gelernt.“
„Ja, aber“, sagte Frau M. „Heißt es nicht in der Werbung: ‚Wäscht weißer als die anderen‘?“ Das war lieb gemeint. Sie wollte mir meine Niederlage ein bisschen abfedern.
„Und diese Wand ist von allen die weißeste“, legte ich nach – in Wirklichkeit meiner Sache längst nicht mehr sicher.
„Ja, und unsere Politiker tragen die weißesten Westen“, lachte Frau M.
Aber egal. Letztendlich hatte Frau B. recht. Und nun versteh ich, warum Bairisch das echte Hochdeutsch ist, Herr Kölbl, auch wenn ich das Vorwort zu Ihrem Buch immer noch nicht gelesen hab. Bairisch ist nämlich in gewissen Situation nicht nur das echte Hochdeutch, sondern ein echtes höhere Deutsch. Vor allem, wenn man weiß, das weiß weiß bleibt, (und blau blau…bla bla…usw.)
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