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Achtung! Neue Redewendung im Anlauf: das„Angähnen“!

Ich gehe davon aus, dass Fritz Grob vom Schweizer Regensdorf diese Glosse nie zu Augen bekommen wird. Aber wer weiß?

Ebenso möglich ist, dass er seine Rolle als Sprachschöpfer niemals wahrnehmen wird. Auch das kann ich aber nicht wissen.

Wer ist Fritz Grob? Und was hat ihm Deutsch Sprechende zu verdanken?
Zufällig stieß ich in der Schweizer „Weltwoche“ (Nr. 25.15) auf einen Leserbrief, den besagter F.G. zum Thema „Fifa“ eingeschickt hatte.

Ich zitiere: „Trotz Ihrer vorzüglichen Berichterstattung über Blatter [gemeint ist Sepp B.] gähnt mich das Thema langsam an….“

„Sag mal“, fragte ich meine Frau, die Native-Speakerin in der Familie, „Kennst Du diesen Ausdruck ‚angähnen‘?“, und ich las ihr den Grob’schen Satz vor.

„Nein, noch nie gehört.“

Immerhin, wäre ja möglich, dass es sich um eine Redewendung handelte, die nur mir unbekannt war. Kommt manchmal vor. Zum Beispiel, als ich meine Frau mal über „in die Puschen kommen“ fragte. „Natürlich“, antwortete sie. „Das sagen wir bei der Arbeit immer, wenn wir uns abermals ein Kaffee holen müssen.“

Was Herr Grob mit „angähnen“ meinte, ist jedenfalls aus dem Zusammenhang klar – etwas wie „anöden“. Mir war nur nicht sicher, ob es sich um einen stehenden Begriff handelte.

Also holte ich, um die Sache auf die Spur zu kommen, meinen sechsbändigen Duden, den mir vor vielen Jahren mein seliger Sprachguru Ernst-Theo-Rohnert geschenkt hatte. Dieses wuchtige Nachschlagwerk bietet eine Bestandsaufnahme der deutschen Sprache bis ca. 1978. Unter Stichwort „angähnen“ fand ich Folgendes: „In Richtung auf jmdn, etw. gähnen“, gefolgt vom Beispiel: „Mein Gegenüber gähnte mich fortwährend an.“ War mir irgendwie klar. Als ich letztes Jahr auf einer Hochschule als Dozent tätig war, wurde ich von meinen Studenten täglich angegähnt. So was nimmt man aber in Kauf und möchte dieses Gähnen mangelndem Sauerstoff zuschreiben.

Doch der Duden kannte auch eine zweite, übertragene Bedeutung für dieses Wort und brachte sie in Form von einem Zitat: „unendliche Öde gähnt mich an“. Als Quelle wird der Roman „Mitte des Lebens“ von Luise Rinser, 16. Kapitel, angegeben.

Zugegeben, ein schöner Satz. Nur: bei Rinser wird das „Angähnen“ unmittelbar mit einer „Öde“ in Zusammenhang gebracht – was irgendwie logisch ist, weil „Öde“ und „Gähnen“ eine gewisse Ähnlichkeit haben. Umso mehr war ich nun überzeugt: Herr Grobs „angähnen“ ist gewagter als das von Fr. Rinser. Ihm zufolge gähnt ein Thema an. Das ist schon etwas anders als von einer Öde angegähnt zu werden.

Was ich aber noch immer nicht wusste: Ist dieses neu nuancierte Angähnen wirklich eine Erfindung von Herrn Grob?

Das war die Frage. Und um sie zu beantworten, googelte ich das Wort. Sofort erhielt ich 3280 Treffer. Diese Zahl ist freilich wie immer bei Google eine Fiktion. Anyway, Die Seiten, die ich unter „angähnen“ fanden, waren fast ausnahmslos belanglos: Übersetzungen des Wortes ins Afghani oder Suahili etwa. Über die Grob’sche Variante war nichts zu lesen. Schauen Sie selber hin.

Mein Fazit: Fritz Grob zählt eindeutig zu den Schöpfern der deutschen Sprache, einem Verein, dessen Mitglieder meistens anonym bleiben. Man freut sich, wenn man einen zufällig entdeckt.

Herr Grob aus Regensdorf in der Schweiz hat ein neues Wort gesät. Jetzt warten wir die Ernte ab.

Wobei wir ihm eigentlich behilflich sein könnten. Mein Vorschlag: Benutzen Sie dieses Wort so oft wie möglich. In einem Jahr kann man es dann wieder angoogeln. Seien Sie dann auf eine Überraschung gefasst…

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