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Eine kurze Grammatik der Pornographie

Vielleicht haben Sie sich verirrt und lesen diese Zeilen, weil Sie sich etwas Anderes erhofft haben als das, was ich anzubieten vorhabe.

Ihnen, liebe Verirrte, drücke ich, falls ich Sie unabsichtlich in die Irre geführt habe, mein aufrichtiges Bedauern aus. Hier finden Sie weder anzügliche Bilder noch Worte, deren Ziel es ist, gewisse Fantasien anzuheizen.

Im Gegenteil. Hier bekommen Sie genau das, was im Titel versprochen wird: eine Grammatik – oder zumindest die Einleitung zu einer solchen Grammatik. What you see is what you get.

Ich betrachte Pornographie nämlich als eine Sprache – genauer gesagt: als eine Fachsprache, als ein geschlossenes System, das gewisse Inhalte symbolisch mitteilen will.

Vielleicht fragen Sie sich, was genau die Pornographie mitteilen will?
Wollten sie „Sex“ antworten? Sorry. Das ist leider falsch. Die richtige Antwort lautet: Pornographie will Sehnsüchte verständlich machen – Sehnsüchte nach einer Intimität, die man weder durch Worte noch in Bildern darstellen kann, sondern nur anhand von eigenem Erleben. Eine schwere Aufgabe also.

O o. Ich merke schon, wie kompliziert diese Sache wird. Hoffentlich hab ich mich nicht (wie so oft der Fall) übernommen. Vielleicht hilft folgende Anekdote: Ich war mit Anfang 20 unglücklich verliebt. zugleich träumte ich davon, ein unwiderstehlicher Don Juan zu werden. Um diesen Widerspruch zu überwinden, besuchte ich damals einen Seelenarzt, einen erfahrenen und väterlichen Menschen ca. Mitte 60. Eines Tages fragte er mich, nachdem ich ihm eine Weile was vorgejammert hatte: „Soll ich dir beibringen, wie man wirksam rumbumst oder lieber wie man wirksam liebt? Ich kann nämlich beides, aber ich überlasse dir die Wahl.“

Ich zögerte kurz und überlegte sehr ernsthaft. Schließlich entschied ich mich für die zweite Möglichkeit.

Heute weiß ich, dass er mir eine Fangfrage gestellt hatte. Clever, Dr. L., wherever you are.

Hätte ich mich für die erste Wahl entschieden, dann wäre es ihm nur möglich gewesen, mir eine Grammatik der Pornographie vorzulegen. Ich hätte von ihm also nur den theoretischen Ablauf des Anbaggerns erfahren, was mir mit Sicherheit nicht weiter geholfen hätte. Das ist nicht viel anders als wenn man die theoretische Struktur einer Sprache lernt.

An dieser Stelle möchte ich eingestehen, dass ich, was die Pornographie betrifft, eigentlich kein Muttersprachler bin. Meine Kenntnisse bleiben im Grunde recht theoretisch. Ich bin nämlich kein so großer Konsument von Pornographie, obwohl ich sie seit Jahrzehnten kenne und die Möglichkeit im Internetzeitalter mehr als gegeben wäre, sie noch genauer zu studieren. Wenn ich sie aber zu Sicht bekomme, dann beobachte ich ganz genau, was ich sehe. Dieses Beobachtungsvermögen hat dazu geführt, dass ich gewisse Gesetzmäßigkeiten entdeckt habe. Deshalb glaube ich, dass ich mit dem Begriff „Grammatik“ hier nicht falsch liege…

1.) Verben: Die Darsteller/innen fackeln nicht lange. Jede(r) weiß, worum es geht und macht ziemlich schnell Kontakt mit den wesentlichen Körperteilen. Nebenbei: Es gibt hier nur Gegenwart und Zukunft.

2.) Nomen: Die Agierenden werden in Zeit und Raum eingerahmt. In der Version, die ich zuletzt studiert habe, wird auf Körperhaar – weiblich und männlich – verzichtet. Die Intimrasur ist momentan „in“. Dies kann sich jederzeit ändern.

3.) Adjektiven: Mimik, Hecheln, Grunzen und dergleichen spielen wichtige Rollen: Durch sie werden die Darsteller/innen stets näher beschrieben.

4.) Adverbien: Kamerawinkel ist unabdingbar – vor allem, was die Vereinigung der primären Geschlechtsteile betrifft. Diese befinden sich stets in Aktion. Dank dem Blickwinkel wird die Vorstellung vermittelt: „Ich bin dabei“.

5.) Wortstellung I: Von Zeit zu Zeit verabreicht der männliche Darsteller seinem weiblichen Kontrapart einen Klaps auf den Sitzfleisch. Leider habe ich bisher noch keine Erklärung für diese Geste gefunden, ist sicherlich ein unregelmäßiges Verb.

6.) Wortstellung II: Höhepunkte kommen immer am Schluss! Der der Frau wird stets durch Adjektiven (s. oben) vermittelt. Über Glaubwürdigkeit darf ruhig gefragt werden. Der des Mannes (im wahren Leben üblicherweise unsichtbar) wird in voller Länge und Umfang gezeigt und reichlich von Adjektiven begleitet. Gegebenenfalls wird er mit Hilfe von Adverbien wiederholt…

Ursprünglich wollte ich dieses Thema viel detaillierter und als wissenschaftlich begründetes philosophisches Werk publizieren. Vielleicht kommt das noch. Aus Platzgründen halte ich mich heute kurz. Es gäbe viel mehr zu beschreiben und zu erklären, will man diese Grammatik noch nützlicher gestalten. Ich denke aber: Auch obige Ausführung reiche vollkommen – zumindest für den Anfang.

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