Menschen der Erde. Seien Sie herzlich gegrüßt. Wir haben Ihre Botschaften empfangen und sind jetzt auf den Weg zu Ihnen. Wenn ich mich richtig entsinne, messen Sie große Entfernungen nach „Lichtjahren“.
Als ich das erste Mal von diesem Begriff erfuhr, war ich, um ehrlich zu sein, ein bisschen verblüfft. „Lichtjahre“?, dachte ich. Was meinen die damit? Für uns klingt dieses Wort überaus poetisch. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Licht als Zeitmaß zu verwenden. Ist aber hübsch.
Bei uns gibt es keine Lichtjahre, nur Augenblicke. Und Augenblicke vergehen immer sehr schnell.
Wir hätten uns früher gemeldet. Es hat aber ein paar Augenblicke gedauert, bis wir den großen Datenbatzen, den Sie uns geschickt haben, beackern konnten. Es heißt, dass Sie uns den gesamten Inhalt Ihres „Internets“ via „Laser“ – Verzeihung, wenn ich Ihre Begriffe nicht immer ganz nachvollziehen kann – übermittelt haben. Habe ich das richtig dargestellt?
Viel war es eigentlich nicht. Wir haben alles in ein paar Augenblicken bearbeitet, wobei ich leider erfahren musste, dass es die „Beatles“ nicht mehr gibt und dass John durch Gewaltanwendung entkörpert wurde.
Schade. Sie fragen sich vielleicht, wie ich ausgerechnet auf die „Beatles“ komme? Haben Sie schon vergessen, dass Sie uns vor ein paar Augenblicken eine kurze Botschaft via „Rundfunksignale“ zukommen ließen? Da war allerdings nur sehr wenig zu bearbeiten, aber darunter die „Beatles“.
Ich gebe zu: Zuerst konnten wir mit diesen rhythmischen Tonschwankungen wenig anfangen. Doch bald fanden wir sie irgendwie lustig. Sie wohl auch.
Oder? Singen alle auf Ihrem Planeten „She loves me, yeah, yeah, yeah“? Ich muss leider eingestehen, dass ich immer noch nicht verstehe, was „yeah, yeah, yeah“ bedeutet. Neue Sprachen zu lernen, erfordert immer viel Übung. Und Sie müssen bedenken: Wir haben inzwischen alle Sprachen Ihres Planeten beherrscht, um unsere Botschaft verständlich zu machen. Bei uns übrigens gibt es nur eine Sprache.
Uns ist es aber wichtig, dass jeder von Ihnen unsere Botschaft im eigenen sprachlichen Code verarbeitet.
Nein, schwierig war es nicht, so viele Sprachen zu lernen – auch wenn man nicht alle Feinheiten berücksichtigen kann. Alles in allem gerechnet, hat der Prozess bloß ein paar Augenblicke gedauert.
Übrigens: Haben Sie vielen Dank für die oben erwähnten Sendungen – so wohl die „Rundfunksignale“ wie auch den Gesamtinhalt Ihres „Internets“. Das erwähne ich hier, weil ich weiß, dass Sie ständig „danke“ und „bitte“ sagen.
Hätten Sie uns nicht kontaktiert, wäre es gut möglich gewesen, dass wir von Ihnen nichts erfahren hätten. Das „All“ (so nennen Sie es, nicht wahr?) ist nämlich verdammt groß, und man kann sich nicht jeden Fleck, der sich – „am Arsch der Welt“ sagen Sie, nicht war? – befindet, merken, um – wie heißt es bei Ihnen? – „intelligentes Leben“ auszuräuchern. Andererseits erleben wir mal Zeiten, wo wir absolut nichts fangen, egal wie sorgfältig wir unsere Schleppnetze ausbreiten. Sie können sich vorstellen, wie frustrierend das werden kann. Bald fängt der Magen richtig zu knurren an.
Wobei manchmal der Fang eine einzige Enttäuschung ist. Zum Beispiel, wenn wir Planeten einnehmen, wo es nur sprachlose Wesen gibt, die höchstens „Bonk! Bonk!“ oder so ähnlich hinausplärren. Eine armselige Mahlzeit. Welchen Hunger soll man mit ein paar „Bonk! Bonk!-Lauten“ stillen?
Das mit „She loves you, yeah, yeah, yeah“ ließ uns wenigstens hoffen – obgleich zuerst das „yeah, yeah, yeah“ sehr stark an „Bonk! Bonk!“ denken ließ.
Als uns aber der Inhalt Ihres Internets erreichte, war es klar, dass es auf Ihrem Planeten doch ein bisschen was zu holen gibt. Zugegeben, man kennt reichhaltigere Mahlzeiten. Aber wenigstens geht man, wenn man bei Ihnen ist, nicht ganz hungrig vom Tisch. Nicht wahr?
Ohnehin: Die wahrhaft intelligenten Planeten lassen sich, weil sie intelligent sind, schwer einfangen. Wir müssen uns stets etwas einfallen lassen, wollen wir sie dingfest machen. Auch das macht hungrig. Dann ist man froh, gelegentlich eine kleine Zwischenmahlzeit genossen zu haben. Mit ein bisschen Stärkung gewappnet, kann man dann frohen Mutes weiter suchen.
Danke, Erde!
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