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Abschiedsnehmen auf Deutsch (dazu ein paar autobiografische Notizen)

Wie wird man zum Sprachbloggeur?

Teilantwort eins: Man braucht Geld.

Teilantwort zwei: Die Not macht erfinderisch.

Teilantwort drei: Man schreibt liebend gern über Sprache.

Jetzt zu den Details. Heute also ein bisschen Autobiografisches:
1979 wurde ich von einer deutschen Publikumszeitschrift angeworben – obwohl ich keine journalistische Hochschule besucht hatte und obendrein die deutsche Schriftsprache nur ungenügend beherrschte. Mein langjähriger Status war der des festen-freien Mitarbeiters. Mein Chef war aber der Meinung, ich würde eine günstige Ergänzung für die Redaktion geben.

Dazu: Er selbst übersetzte meine in englischer Sprache geschriebenen Texte ins Deutsche. Und noch dazu: Über die Jahre wurde mein Vertrag entsprechend verändert, so dass Pauschal und Fixum regelmäßig erhöht wurden. Ich wähnte mich beinahe ein Angestellter. Das waren Zeiten. Heute kaum mehr möglich.

Die gute Behandlung erweckte in mir natürlich eine starke Loyalität der Zeitschrift gegenüber (heute auch kaum möglich). Umso mehr machte ich mir Gedanken darüber, wie ich a) der Zeitschrift Gutes tun und b) meinen Stellenwert weiter befestigen könnte. So hatte ich eines Tags den Einfall: eine Sprachkolumne aus dem Boden zu stampfen – damals gab es kaum Sprachrubriken in Deutschland. Mein Chef war von der Idee begeistert. Und da ich ehrgeizig war, wollte ich die Texte für diese Kolumne auf Deutsch schreiben. „Können wir ausprobieren“, meinte mein Chef wohlwollend.

Meine Kolumne erschien zwar unregelmäßig, wurde aber tatsächlich gern gelesen. Wir schreiben übrigens das Jahr 1985 oder so. Zugegeben: Meine Schriftdeutschkenntnisse waren alles anders als berauschend. Doch practice makes perfect.

Es hat mir großen Spaß gemacht, diese der Sprache bezogenen Texte zu entwerfen und schreiben. Hier ein paar Themen: ein Vergleich, z.B., zwischen dem Wortschatz des Hochdeutschen mit dem des Plattdeutschen und des Friesischen. Die Überschrift lautete: „Die drei Schwestern“. Einmal erläuterte den Begriff „modern“ angesichts der Tatsache, dass sich jede Generation für „modern“ hält. (Heute klingt „postmodern“ bereits altbacken). Einmal erklärte ich den „Brautlauf“, ein altertümliches Wort für „Hochzeit“. Leider habe ich den Inhalt fast vollständig vergessen. Kann man heute aber alles googeln.

Meine Rubrik hieß passenderweise „Deutsche Sprache…“ – was freilich mit „schwere Sprache“ zu ergänzen war. Sie stieß allerdings nicht nur auf Wohlwollen. Der Chef von Dienst pflegte zu nörgeln: “Ausgerechnet der Ausländer muss über die deutsche Sprache schreiben.“

Ich denke, die Kolumne erschien insgesamt ein Dutzend Male. Doch damit hatte ich meinen Stellenwert bei der Zeitschrift in der Tat befestigt und noch dazu den Werdegang der Zeitschrift sehr zum Positiven beeinflusst. Über die nächsten Jahrzehnte erschienen in der Zeitschrift regelmäßig diverse Rubriken – mit mir übrigens als Autor! Nicht also von ungefähr fragte mich 2005 der derzeitige Chefredakteur, ob ich im Infozeitalter Lust hätte, eine online Rubrik – sprich Blog – zu entwerfen. Daraus entstand „Der Sprachbloggeur“. Und stellen Sie sich vor: Jeder Beitrag wurde (bis Januar 2009) honoriert – utopische Vorstellung heute.

Doch jetzt zum Thema Abschiedsnehmen auf Deutsch: Der letzte Text, den ich für die Rubrik „Deutsche Sprache…“ verfasste, handelte vom Wort „Wiedersehen“. Dieser Begriff, so meinte ich, werde fast ausnahmslos in formellen Situationen gebraucht – eine Art Abschiedssiezen. Im täglichen Gebrauch verabschiede man sich lieber mit „ciao“, „servus“, „tschüss“ usw.

Nur im Kino – und zwar in synchronisierten Filmen – so behauptete ich, werde „Wiedersehn!“ als volkstümlicher Abschiedsgruß beinahe pauschal benutzt. Kleine Kinder im Film rufen zur Oma und zum Opa und zu Freunden beim Abschiedsnehmen „Wiedersehn!“ Geliebte, Freunde, Jugendliche ebenso.

Meine Theorie damals: Dieses „Wiedersehn“ hatte sich im Kino deshalb eingebürgert, weil es in der deutschen Hochsprache nirgends ein einheitliches Abschiedswort wie das englische „bye“ gibt. In der deutschen Sprache richtet sich der Abschiedsgruß nach dem jeweiligen an einem Ort herrschenden Dialekt. Dialekt bei der Synchro-Arbeit ist aber undzulässig.

Mein „Wiedersehen“- Text erschien übrigens nie. Später erfuhr ich, dass die Chefredaktion meine Theorie nicht unterstützte. Deshalb musste ich erst selbstständiger Sprachbloggeur werden, um sie endlich in eigener Verantwortung öffentlich zu erörtern. Das Geld wird zwar weniger aber die Freiheit! Die Freiheit!

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