Eine vergnügliche Unterhaltung mit Frau M. über Gott und die Welt. Sie findet passenderweise im Paradies statt, umgeben von duftenden Mangos, gelben Papayas, süßsauren Maracujas, prallroten Erdbeeren etc. etc.
Paradies. So heißt, wie manche Leser bereits wissen, mein Lieblingsobst-und-Gemüseladen, der häufig Schauplatz meiner Überlegungen über Sprache ist. Frau M., die Inhaberin, waltet souverän über diesen Lustgarten.
So viel weiß ich noch: Wir unterhielten uns sehr rege über diverse, knifflige sprachliche Probleme. Und ich erinnere mich noch, dass ich auf einmal dachte: Hmm, darüber sollte ich vielleicht etwas schreiben. Leider hatte ich aber nach nur einer Stunde beinahe das ganze Gespräch wieder vergessen.
Mit Ausnahme von einem kleinen Bruchstück: Frau M. hatte sich um das Wort „Niemand“ im Genitiv, also „Niemandes“ oder „Niemands“ Gedanken gemacht. Sie war nämlich dabei, dieses Wort in einem Satz zu benutzen, es kam ihr aber plötzlich irgendwie seltsam vor. Sie hatte auch recht. Diese Genitivform wird heute immer seltener gebraucht.
Daraufhin bemerkte Frau M., die übrigens sehr nützliche Englischkenntnisse besitzt: „Es wäre viel einfacher, das auf Englisch zu sagen. ‚Nobody’s‘ erscheint mir akzeptabler als ‚niemandes‘.“
Ich hingegen meinte, dass im Deutschen an dieser Stelle ‚keinem‘ besser passen würde.
Nur: keinem was? Niemandes was? Fakt ist: Ich hatte nach einer Stunde den Zusammenhang total vergessen.
War die Rede von „niemandes Angelegenheit“? Nein sicherlich nicht. Denn mein „keinem“ hätte sich dann auf „Keinem seine Angelegenheit“ bezogen, was man im Bayrischen sagen darf, nicht aber, wenn man „nach der Schrift“ redet. Erneut grub ich in den tiefen Kanälen meines Gedächtnisses.
Ging es vielleicht um „in niemandes Augen“? fragte ich mich. Und hat Frau M. gesagt: „Nein, das klingt viel schöner auf Englisch, also ‚in nobody’s eyes‘?“
Nein. Denn ich erinnerte mich noch ganz genau, dass ich in meinem Beispiel „keinem“ und nicht „keinen“ benutzt hatte. „In keinen Augen“ war es also nicht.
Die Sache hat mich zusehends beschäftigt. Schließlich entschloss ich mich, Frau M. am nächsten Tag zu fragen, ob sie sich noch an das Gespräch erinnerte. Ich war nämlich fest überzeugt, dass, sie dies bejahen würde. Und jetzt komme ich zu meiner Haupttheorie: Ich behaupte, dass Frauen das bessere Gedächtnis haben.
„Ja, natürlich erinnere ich mich“, sagte Frau M. zu mir. „Ich wollte ‚in niemandes Leben‘ sagen. Mir kam diese Formulierung aber irgendwie komisch vor, und ich meinte, man habe es im Englischen einfacher. ‚In nobody’s life‘ würde schöner klingen.“
„Genau“, sagte ich. „Und ich erwiderte. ‚In keinem Leben wäre heute im Deutschen gebräuchlicher‘.“
„Ja, so war es.“
„Ich war sicher, dass Sie sich erinnern würden“, sagte ich zufrieden.
„Wieso waren Sie so sicher?“ fragte Frau M.
„Weil Frauen meines Erachtens immer das bessere Gedächtnis haben.“
„Das stimmt aber nicht“, antwortete sie. „Ich habe ein sehr schlechtes Gedächtnis. Ich weiß nicht einmal, in welchem Zusammenhang ich das ganze Thema erwähnte.“
„Ich auch nicht. Aber trotzdem haben Sie sich an ‚in nobody’s life‘ erinnert. Frauen erinnern sich immer an die Details.“
„Und Männer?“
„Eigentlich sind wir die meiste Zeit froh, wenn wir die Details vergessen. Es lässt sich dann leichter Leben.“
„Aber Herr Sprachbloggeur, das wäre in niemandes Interesse…“
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