Ich nehme auf mich die Rolle des sexuellen Aufklärers ungern. Bin kein Fachmann.
Aber dann las ich gestern in Spiegel-Online Auszüge aus einem Interview mit dem SPD-Politiker Sebastian Edathy. Er halte sich momentan versteckt in Südeuropa auf, würde gerne nach Deutschland zurückkehren – wenn sein Haus von Journalisten und Protestierenden nicht belagert wäre.
Das gesamte Interview ist in der Printausgabe des Spiegels zu lesen. Ich bin wie viele andere „Websurfer“ und lass mich nur mit kostenfreien Inhalten verköstigen. Ich habe die Zeitschrift also nicht gekauft.
Edathy behauptet in den Auszügen jedenfalls, dass er kein Pädophiler sei. Er halte es für zulässig, Nacktaufnahmen von Knaben (Bilder, die, wie er betont, nicht kinderpornografisch sind) aus Kanada zu bestellen. O-Ton Edathy: „In der Kunstgeschichte hat der männliche Akt, auch der Kinder- und Jugendakt, übrigens eine lange Tradition. Man muss daran keinen Gefallen finden, man darf es aber, ohne darüber öffentlich Rechenschaft abzulegen zu haben.“
Er fühle sich ungerecht verfolgt und von seiner Partei, der SPD, im Stich gelassen.
Was ist von alledem zu halten?
Meine Meinung: Sebastian Edathy hat recht. Er ist kein Pädophiler.
Und jetzt würde ich gern den Begriff der Pädophilie etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Männer (und manchmal – wenn auch viel seltener –Frauen), die geschlechtsunreife Kinder (und sogar Säuglinge??!!) missbrauchen oder gar ermorden, um sich abartig zu befriedigen, sind eindeutig Pädophile. Sie vergehen sich auf „paidoi“, Griechisch für „Kinder“. Auch das Bedürfnis, Bilder oder Filme zu betrachten, in denen Kinder missbraucht werden, halte ich für sehr abartig.
Die Bilder, die Edathy aus Kanada bestellte, zeigen, wenn ich dies richtig erfasst habe, nackte Knaben im Alter vom neun bis vierzehn Jahren bei der Körperertüchtigung und nicht bei Sexspielen. (Letzteres wäre ein ganz anderes Problem). Der Fachsprache zufolge ist Edathy nicht als Pädophiler einzustufen, sondern als „Hebephiler“ (Attraktion für pubertierende Jungs und Mädchen) oder vielleicht als „Ephebophiler“ (Attraktion für Jünglingen zwischen der Pubertät und nach manchen Quellen Anfang 20).
Gerade die „Ephebophilie“ ist viel weiter verbreitet als es manchen lieb wäre, ebenfalls das weibliche Pendant, die „Parthenophilie“ (Attraktion für Mädchen zwischen Pubertät und etwa 17 Jahren).
Hier die Namen von nur einigen bekannten Ephebo/Parthenophilen: Caravaggio, Lewis Caroll, Thomas Mann, Adolf von Hildebrandt, Gustav Eberlein, Reinhold Begas, Wilhelm von Schadow und wohl beinahe jeder Maler, der jemals einen Heiligen Sebastian anfertigte. Auch der Filmemacher Pasolini zählt zu den Ephebo/Parthenophilen. Stellen Sie sich vor: Sie wären alle Mitglieder der SPD gewesen. Hätte man gegen sie ein Ausschlussverfahren angestrebt?
Fakt ist: Seit der Antike wird der geschlechtsreife jugendliche Körper bewundert und versinnlicht. Sogar in der mystischen Lyrik des islamischen Mittelalters (Al Ghazali, Rumi) wird die vorzügliche Schönheit des Mundschenks gepriesen. Maler (und Manga-Zeichner), auch diverse Fotografen heben die Reize dieses Alters auch heute hervor. Extreme Beispiele sind Will McBride, Larry Clarke und David Hamilton. Ihre Werke werden noch immer in deutschen Museen ausgestellt – und die Ausstellungen sind gut besucht.
Oder denken Sie an die Mode- und Werbefotografie. Zwar sind nackte Bilder von Jugendlichen in dieser Sparte eher die Ausnahme, doch Jünglinge und Mädchen werden mit Absicht erotisiert bzw. erotisierend dargestellt, weil sie so die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu vereinnahmen vermögen.
Über die tieferen Gründe, die hinter diesem Phänomen stecken, werde ich heute nicht spekulieren. Es genügt zu sagen: Wenn das Interesse nicht vorhanden wäre, würde man die Jugend nicht so instrumentalisieren.
Jeder beherbergt eigene erotische Geheimnisse. Ich wage nicht zu erraten, welche Bilder und Geister in den Köpfen der Millionen spuken.
Ich denke, dass die Journalisten und Protestierende, die das Edathy-Haus belagern, das Feld endlich räumen könnten. Es gibt sicherlich viel wichtigere „Affären“ als die von Edathy.
Ende der Vorlesung.
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