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Eine Botschaft, die ich selber nicht verstehe

Liebe Prominenten: Heute spreche ich Sie an. Ja, Sie wissen, wer sie sind.

Ob ich einen Termin habe? Wie ich an der Sekretärin vorbei kam? Tja, mein kleines Geheimnischen.

Bitte nicht weggucken. Denn ich habe Ihre besten Interessen im Sinn. Ich soll Ihnen über das Promi-Jenseits berichten. Noch nie davon gehört? Warte nur. Denn ich habe meine Info von einer sicheren Quelle.

Ich bekam den Auftrag erst heute – gleich nach dem Gespräch mit G. Kennen Sie ihn? Er ist Schauspieler, ein alter Freund. Er erzählte mir, dass er endlich wieder Arbeit hat. Das hat mich gefreut. Eine schöne Rolle sogar, wie er meinte. „Ich hoffe jedenfalls, dass es klappt“, fügte er hinzu, „Aber ich lerne bereits fleißig Text.“

„Was heißt, du hoffst, dass es klappt?“ fragte ich.

„Früher haben wir zeitgleich die Rolle und den Vertrag bekommen. Heute bekommt man erst die Rolle und am Schluss den Vertrag.“

„Wieso das?“

„Wenn sie’s sich anders überlegen, können sie dich ohne juristisches Nachspiel loswerden. Außerdem bekomme ich nur halb so viel Gage wie früher. Denn sie haben sich noch einen cleveren Dreh ausgedacht: Sie bezeichnen den Film als ‚Dokudrama‘ und dürfen von daher die Gagen pauschal halbieren. Das wurmt mich aber massiv. Weil sie in Geld schwimmen.“

„Ja, aber wer bekommt das viele Geld?“

„Die paar Prominenten, die mitspielen.“

„Und warum setzen diese sich nicht mit euch solidarisch zusammen, damit ihr mehr verdient?“

„Aber woher! Sie bestehen lieber auf einen eigenen Wohnwagen als Garderobe und an eine Sonderspeisekarte.“

„Das klingt wie die Lage der Fotografen, der Journalisten und der ‚Minijobber‘“, sagte ich spontan.

Ja, ich gebe zu, dass ich etwas empört war als ich all dies erfuhr. Und in dem Augenblick fiel mir mein einstiger Kollege Fritz Thorgesson ein. Bist du noch da Fritz? Lange von dir nichts mehr gehört!

Vor Jahren erzählte er mir, dass er in den 1950er Jahren einem Interview mit dem damaligen Siemens-Chef beigewohnt hatte. Der Siemens-Chef – leider weiß ich nicht, wie er hieß – sagte in etwa Folgendes: „Na klar, dulden wir einige unproduktive Arbeitskräfte in der Firma. Aber stellen Sie sich vor, was wäre, wenn all diese Leute arbeitslos wären. Das würde noch mehr kosten. So lange sie bei uns Geld verdienen, können sie ihr Geld ausgeben. Davon profitieren wir alle.“

Nun kam mir Henry Ford in den Sinn: „Ich baue Automobile, die auch meine Mitarbeiter kaufen könnten“, sagte er.

Aber Entschuldigung. Ich wollte Ihnen vom Promi-Jenseits erzählen und Ihnen keine dämliche Polemik über die Probleme anderer nützlicher Idioten vorlabbern. Zuerst die gute Nachricht. Sie dürfen im Promi-Jenseits alle zusammen wohnen – wie en famille, wie auf einer Party. Egal welchen Beruf sie mal hatten: Politik, Sport, Unterhaltungsindustrie, Business, Terrorismus, Mafia. One big happy family.

Man lebt dort, wissenS‘, in einer Art „gated community“. Das heißt: eine umzäunte Gemeinde mit einem Wachposten am Eingang. Klingt gar nicht so schlecht, oder? Und so hält man leichter die Krethi und Plethi fern.

Die schlechte Nachricht – wenn sie überhaupt eine ist: Zahnbürsten sind verboten. Nein, sonst keine Überraschungen. Is‘ nicht so schlimm, oder? Wer allerdings die Zähne putzen will, der muss die „gated community“ verlassen, um eine Zahnbürste zu holen. Nur: Wer die „gated community“ einmal verlässt, der vergisst sofort seinen Namen und wo er wohnt, und er findet nie wieder ein…

Keine Ahnung, was das alles bedeutet. Ich sollte es ihnen nur berichten. Dem Boten bitte nicht den Kopf abschlagen. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Sprachbloggeur

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