„Was! Du hast deinen Salat schon aufgegessen?“
„Ich hatte Hunger.“
„Du bist ein Weltwunder…Faster than a speeding bullet...“
Vertraute Stille. So klingt ein Gespräch am Tisch, wenn ein Ehepaar – in diesem Fall ich und meine Frau – lang miteinander verheiratet sind: Ich stelle etwas fest, sie antwortet darauf, und dann folgt meine Bemerkung – in diesem Fall auf Englisch.
Damit war das Gespräch aber doch nicht zu Ende. Denn wir sind ein bikulturelles Paar, meine Frau Deutsche und ich, wie ich immer wieder zu betonen pflege, Amerikaner.
Dieser Zustand bereichert freilich sehr, kann aber bisweilen für Missverständnisse und Irritationen sorgen. Das war insbesondere der Fall, als ich jünger war. Es hat mich manchmal frustriert, dass meine Frau gewisse kulturbedingte Anspielungen nicht verstand. Zum Beispiel, als ich einmal sagte: „Das klingt wie ein alter Bob Hope Witz.“
Auf diese Bemerkung folgte eine leere Stille, woraufhin ich fragte:„Weißt du nicht, wer Bob Hope ist?“
„Nein, noch nie gehört.“
Ich gebe zu: Männer sind egoistisch (meine Frau würde dies sofort bejahen), und wir möchten, dass unsere Frauen alles, was wir produzieren, sofort verstehen und für gut heißen. Dieses Wunschdenken ist aber besonders fatal in einer bikulturellen Beziehung – zumal Bob Hope für Amerikaner so bekannt ist wie Helmut Schmidt oder Kim Jong Un in Deutschland.
(Für den Fall, dass Ihnen Bob Hope doch kein Begriff ist: Er war Komiker, Schauspieler und Entertainer, dessen Karriere sich von ca. 1940 bis etwa 1990 erstreckte. Er starb 2003 hundertjährig. Nach ihm wurde ein Golf Turnier, „The Bob Hope Classic“ benannt. „Golf ist mein Beruf“, sagte er. „Dank dem Showgeschäft kann ich mir den Mitgliedsbeitrag für den Golfklub leisten.“ An dieser Stelle pflegen Amerikaner zu kiechern).
Aber wie gesagt: Meine Frau kannte den Namen nicht, was mich damals maßlos betrübte. Ein Hinweis, dass ich mein Haus doch auf fremder Erde gebaut hatte. Denn, wenn andere deine kulturelle Anspielungen nicht verstehen, erscheint die eigene Vergangenheit wie verloren! So was kann ängstigen. Noch schlimmer: Weil man um den Verlust der eigenen Identität fürchtet, wird man zunehmend nostalgisch für die good old days.
Aber zurück in die Gegenwart. Längst erlebe ich solche Identitätskrisen nicht mehr. Und deshalb hat es mich nicht im Geringsten irritiert, dass meine Frau nichts mit dem Begriff „faster than a speeding bullet“ anfangen konnte. Nach einer kurzen, vertrauten, ehelichen Pause fragte ich: „Weißt du, worauf ich hinaus wollte, als ich sagte ‚faster than a speeding bullet‘?“
„Eigentlich nicht“, antwortete sie.
„ Die Superman-Sendung im Fernsehen in den 1950er Jahren begann folgendermaßen: ‘Faster than a speeding bullet, more powerful than a locomotive, able to leap tall buildings at a single bound. Look up in the sky! It’s a bird! No. It’s a plane! No. It’s…Superman.’ Das hat jeder Amerikaner gewusst. Aber wer weiß, ob sie es immer noch tun.“
„Ach so.“
Ja, so verläuft die Verständigung zwischen den Kulturen. Und nun stellen Sie sich vor, wie schwierig es ist, wenn man Texte aus dem Lateinischen oder aus dem Altgriechischen ins Deutsche übersetzen will: Es fehlen uns die Metasprache, die Anspielungen, die jeder damals verstand.
Wage ich zu fragen, ob wir Bibel und, ja, Koran auch einigermaßen verstehen können? Nein, natürlich wage ich so eine Frage nicht.
Add new comment