Ich habe sie gesehen: Justin Biebers Tätowierungen. Deutlich zu erkennen in Bildern, die ich im Spiegel-Online entdeckte. Es waren, glaube ich, zwei.
Was, so dachte ich, dieser Bub, der so viel Unschuld ausstrahlt, hat sich tätowieren lassen?
Nun wurde ich neugierig und googelte unter Stichwort „Justin Bieber tatoos“. Wer weiß? Hätte sein können, dass man sie ihm für eine Show draufgemalt hat – als Imageveränderer quasi, damit er ein Hauch erwachsener wirkt. Prompt servierte mir Google beinahe eine Million Treffer zum Thema. (Zum Vergleich: Als ich das Stichwort „Johannesevangelium“ eintippte, waren es etwa 453.000 Treffer).
Ich klickte eine Seite, die mir versprach, alle Infos über Justin Biebers Tätowierungen unverblümt zu vermitteln, und bald wusste ich Bescheid: nicht nur, dass sie echt sind seine Tätowierungen, sondern dass der Popstar acht Stück hat!
Mir fiel in dem Augenblick ein Artikel ein, den ich vor ein paar Wochen in der Zeitung (war es die Abendzeitung?) gelesen hatte. Eine amerikanische Kollegin aus dem show business hatte sich eine Kritik über Justin Bieber erlaubt. Leider habe ich den Namen dieser Kollegin schon vergessen, obwohl sie selbst eine bekannte Entertainerin ist. Ich versuchte den Namen vermittels des Stichwortes „Kritik an Justin Bieber“ ausfindig zu machen. Im Meer der Bieber-Kritiker fand ich sie aber nicht wieder. Auch Google hat seine Grenzen.
Wie dem auch sei. Diese Kollegin bemäkelte, dass der junge Sänger keine Strategie für die Zeit habe, nachdem er nicht mehr jung und frisch aussehe. Außerdem, meinte sie, habe er keine Zukunft als Entertainer, weil sein Publikum – meist weiblich und sehr jung – heranwachse, das Bedürfnis nach ihm, sozusagen, herauswachsen. Er hingegen bleibe – wie ein Peter Pan – in seinem ewigen „Neverneverland“ zurück.
Ob die Kollegin recht hat, möchte ich hier nicht beurteilen. Dazu fühle ich mich nicht berechtigt.
Ich schreibe heute über Justin Bieber aus einem anderen Grund. Weil er für mich ein passendes Symbol für die Reinheit der Sprache darstellt.
Für die Reinheit der Sprache?
Was ich damit meine: Manche erwarten von einer Sprache, dass sie ewig und unveränderlich schön und makellos bleibt, wie ein junger Mensch in der Blüte der Jugend unveränderlich schön und makellos zu bleiben scheint. In Wirklichkeit aber werden sowohl Sprachen wie auch Menschen älter.
Ich weiß. Ich erzähle nichts Neues. Wenn es um Menschen geht, ist jeder bestens über diesen Vorgang informiert – nicht aber, wenn es um Sprache geht.
Zufällig entdeckte ich fast zeitgleich mit meinen Recherchen über Justin Biebers Tätowierungen ein Buch mit dem Titel „Student Grammar of Spoken and Written English“, dass beim englischen Verlag Longman erschienen ist. Der Autor heißt – welch Zufall – auch Biber, wenn auch ohne „E“ – Douglas Biber.
Diese „deskriptive“ Grammatik ist ein Muss für all diejenigen, die ihre Englischkenntnisse vertiefen wollen. Mr Biber u. Kollegen (nein, er ist nicht der alleinige Autor) beschreiben die englische Sprache aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln: als formelle Schriftsprache und als informelle gesprochene Sprache.
Dieses Buch ist übrigens bereits 1999 erschienen. Ich hingegen bin erst letzte Woche daran gestoßen. So war ich immer.
Um nochmals auf Justin Bieber zu kommen: Meine Überraschung, dass, dieser Popstar plötzlich Tätowierungen hatte, die ihm seine Aus-dem-Ei-gepelltheit raubten, ist nicht abwegiger als der Wunsch mancher, einer Sprache eine starre Unveränderlichkeit aufzuzwingen – was oft in der Schriftsprache geschieht. Ein tätowierter Justin Bieber ist wie eine gesprochene Sprache: lebendig, poppig, veränderlich und vor allem unvorhersehbar.
Eine Sprache ist also wie ein Jungstar. Sie wird schleichend älter, bekommt ihre Narben, lässt sich tätowieren, lässt sich einen Bart wachsen etc. Die Vergangenheit hingegen lebt weiter nur zwischen den zwei Deckeln eines hübschen Buches.
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