Heute Englischunterricht beim Sprachbloggeur.
Ich war am Sonntag in der Pinakothek der Moderne in München und setzte mich kurz bei der Besichtigung einer Ausstellung über die Geschichte der Architektur (sehr interessant, empfehlungswert) auf eine Bank hin.
Bald nahm neben mir ein Amerikaner mit seiner deutschen Freundin Platz. Vielleicht waren sie Studenten. Sie sprachen Englisch miteinander.
Normalerweise lausche ich den Gesprächen anderer nicht. Ich bin eher Voyeur (eine Tätigkeit, die die Fantasie beflügelt) als „eavesdropper“. „To eavesdrop“ (sprich: „iews-dropp“) bedeutet „lauschen“. „Eaves“ sind „Dachvorsprünge“. Als „eavesdrop“ bezeichnete man im Mittelalter einen Auffangtrog für Regenwasser, der vor dem Hauseingang oder neben einem Fenster stand. Ein „eavesdropper“ war jemand, der an fremden Türen und Fenstern lauschte.
Mein Sitznachbar redete sehr laut und deutlich. Es war unmöglich, nicht zu eavesdroppen. Er erzählte seiner Freundin, dass er auf einer Party gewesen wäre und dass jemand ihn sehr spät in der Nacht angequatscht hätte: „And I say: ‚Like it’s four o’clock! I’m going to bed!’”
Aber so what.
Mich interessierte lediglich seinen Gebrauch des Wortes “like”. Denn ich überlegte in diesem Moment, dass man dieses „like“ ins Deutsche schwer übersetzen kann.
Fest steht aber: Die Verwendung dieses „like“ ist in der amerikanischen Sprache weit verbreitet. Man hört es vor allem bei jungen Menschen. Like man kann fast jeden amerikanischen Satz mit dieser Vokabel anfangen. Like es ist beinahe unmöglich einen Satz ohne „like“ zu beginnen, wenn man es so haben will. Like ich weiß, wovon ich rede. Like auch ich habe in meiner Jugend meine Sätze mit „like“ kräftig angepfeffert.
Ahnen Sie schon, wie dieses „like“ zu übersetzen ist?
Ich jedenfalls like kaum. Es gibt nämlich keine richtige eins-zu-eins Übersetzung. Like man, like you don’t know what you’re talking about.
Vielleicht wäre „Fakt ist“ eine Möglichkeit. Ein „Fakt ist“ scheint jedenfalls in den meisten oben geschriebenen Beispielen sinnvoll zu sein. Auch „hey“, wäre machbar. Oder „Pass mal auf“ oder „weißt du“ usw. Like dieses „like“ ist eigentlich nur ein Füller. Es übermittelt dem Hörer des Satzes sonst keine neue Information. Es scheint vielmehr ein Sprachelement zu sein, das allein dem Satzrhythmus und dem Zeitgeist dient.
Im Deutschen kenne ich Ähnliches. Zum Beispiel „Du“ in dem Satz: „Du, ich hab drüber nachgedacht.“ Dieses „Du“ lässt sich ins Englische mit „you“ oder „hey you“ kaum übertragen. Dafür könnte ich es aber mit „like“ übersetzen: „like I was thinking about it“. Ob dies für alle „Du’s“ gilt, weiß ich nicht. Du, das müsste ich mir überlegen.
Auch „schon“ taucht im Deutschen häufig als unübersetzbare Füllerpartikel auf. Zum Beispiel: „Ich denk schon, er hat recht.“ Wie soll ich dieses „schon“ ins Englische übersetzen? Eine Möglichkeit: mit „like“! Etwa: „Like I think he’s right“.
Vielleicht könnte man „like“ mit dem Füller „ja“ übersetzen. „Ich bin ja kein Idiot.“ „Like I’m not an idiot.“
Streng genommen bedeutet dieses „like“ „ähnlich wie“ und ist etymologisch mit dem deutschen „gleich“ verwandt. Außerdem mit „Leiche“. „Leiche“ sagte man dereinst nicht nur, um einen toten Körper, sondern jeden Körper zu bezeichnen. Irgendwann bekam dieses Wort die Nebenbedeutung „Vergleich“ und schließlich gebrauchte man es im Sinne von „wie“. Das Suffix „-lich“ – wie in „freundlich“, „ängstlich“ und „abenteuerlich“ – ist in Wirklichkeit nichts anders als eine abgeschwächte „Leiche“. Das englische „like“ machte die gleiche Entwicklung durch und steht heute ebenfalls als Suffix da: „-ly“ wie in „quickly“, „correctly“ usw.
Das alles nur nebenbei, um zu zeigen wie radikal die Sinnwandlung von Wörtern vonstatten gehen kann. Heute hat „like“ manchmal keine Bedeutung mehr und ist in der Umgangssprache trotzdem wichtiger denn je geworden.
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