Ist etwas „tierisch gut“, so freut sich PETA, d.h., die „People for the Ethical Treatment of Animals“ – so der Name der bekannten Tierschutzorganisation. PETA mag es, wenn die Tiere in ein positives Licht gerückt werden.
Ist etwas „tierisch schlecht“, so freut sich PETA eben nicht. Dann wird „tierisch“ nämlich zu einem Begriff, der eine Diskriminierung ausdrückt. „Der Mensch ist kein Tier“, sagte Brecht. Sowas hört PETA gar nicht gern.
Entschuldigen Sie, wenn ich an dieser Stelle meinen Gedanken so mit lauter Stimme nachgehe. Dieses Gedankenspiel fand allerdings schon letzte Woche statt, während ich Nachrichten glotzte. Eine Frau – ich vergesse den Zusammenhang – stand vor der Kamera und gebrauchte das Idiom „tierisch gut“. Ich hatte diese Redewendung seit langem nicht mehr gehört. Gleich fiel mir PETA ein und obige skurrile Wörterspielerei. So funktioniert mein Kopf oft – er ist einfach tierisch assoziativ.
Inzwischen habe ich in meinen Nachschlagwerken festgestellt, dass „tierisch“ in der Bedeutung von „sehr“, „äußerst“, „ungemein“ ein relativ neuer Ankömmling in der Umgangssprache ist. Die eine Quelle, Herr Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, gibt als Entstehungsdatum das Jahr 1970 an. Mein sechsbändiger Duden aus den 1970er Jahren markiert das Wort in diesem Sinn als „Jugendsprache“.
Die Dame in den Nachrichten, für die etwas „tierisch gut“ war, hatte sich diesen Sprachpartikel, könnte man annehmen, als Mädchen in den 70er Jahren angeeignet. Ich damals als Sprachfrischling in Deutschland habe es ebenfalls gehört. Ich konnte freilich nicht wissen, dass es sich um eine neue Zutat in einer brodelnden Sprachsuppe handelte. Ihn letzte Woche wiederzuentdecken war für mich wie das Wiedersehen mit einem alten Freund, den ich mit den Jahren aus den Augen verloren hatte.
Mir fällt dieses Wörtchen nach einer tierisch anstrengenden Woche ein. Wer mein Beitrag der vorigen Woche gelesen hat, weiß, dass ich ziemlich durch den Wind war. Meine Spammer hatten das Fass endlich zum überlaufen gebracht. Ich begann über die „Unsprache“ tierisch zu schwadronieren. Täglich war ich damit beschäftigt, falsche Benutzerkonten zu löschen, aber es kamen immer neue dazu. Es war, als ob ich in einem löchrigen Schlauchboot säße und ständig am Ausschöpfen war. Ich war mit der Geduld am Ende. Schließlich wandte ich mich an meinen Serveranbieter und bat um Hilfe.
Eine gute Entscheidung, und er ergriff wirksame, wenn auch drastische Mittel. Ganz einfach: Er kappte die Leser-Option „Registrieren“. Das heißt: Kein Leser kann seitdem ein beim Sprachbloggeur neues Benutzerkonto eröffnen. Darüber hinaus installierte er ein Cyber-Werkzeug namens „Captcha“. Für Menschen kein Problem. Man muss halt eine einfache Frage beantworten, um zu beweisen, dass man Mensch ist. Nur Botnet-Automaten tun sich mit „Captcha“ schwer.
Wie gesagt: drastische Mittel. Wer ein Benutzerkonto eröffnen möchte, muss künftig mir eine Mail schicken und wird dann von mir höchstpersönlich als Benutzer eingetragen. Handwerk also. Diese Maßnahmen haben bereits Wirkung gezeigt. Heute habe ich erfahren, dass ich, seitdem ich für Ordnung gesorgt habe, 7669 Botnet-„Benutzer“ ferngehalten habe – täglich sind es etwa 1300. Das tut gut. Ein Gefühl, als ob ich den Kammerjäger geholt hätte, so dass das Ungeziefer endlich weg ist.
„Ungeziefer“? Das klingt beinahe wie „Tiere“. Falls sich ein PETA-Mitglied unter meinen Lesern befindet, möchte ich klar betonen, dass meine Spammer keine richtigen Tiere waren. Es waren elektronische Impulse, die die Aufgabe hatten, Kommunikation zu zerstören. Im Übrigen: Diese Impulse wurden von Menschentiere auf den Weg gebracht.
Doch nicht nur „Tiere“ und „tierisch intensive“ Erlebnisse beschäftigen mich heute. Meine drastische Lösung fürs Botnet-Problem war zugleich eine Art Aha-Erlebnis. Denn jetzt verstehe ich, wie es dazu kam, dass es Gesetze gibt. Auch ich habe für Gesetz und Ordnung gesorgt, weil Wilderer meine Ordnung zu zerstören drohten. Gesetz bedeutet aber Freiheiten einschränken. Das habe ich getan. Ich bin überzeugt, dass jede Gesetzgebung auf ähnlichen Beweggründen beruht. Fazit: Wegen der Ungebührlichkeit der Wenigen, müssen die Vielen auf Freiraum verzichten.
Habe ich schon wieder die Geschichte der Welt erzählt? Nun muss man sich fragen, was die Idioten davon haben, dass sie anderen die Freiheit vermiesen.
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