Beinahe hätte ich für diese Glosse eine lange Geschichte über einen jungen Mann namens Mohammed, wohnhaft im Münchener Westend, erzählt. Er will sich auf der Leopoldstraße von einem Zeichner porträtieren lassen. In meiner sehr langen Geschichte, inzwischen gelöscht, weigert sich der Zeichner den jungen Mann zu zeichnen. Warum? Weil er Mohammed heißt!
Es sollte nur ein Witz sein und außerdem die momentane Atmosphäre des Misstrauens bezeugen. Mir wurde die Geschichte ohnehin etwas zu kopflästig.
Heute stattdessen eine frohe Botschaft: Alles vergeht! Ja, das meine ich ernst und könnte damit diese Glosse augenblicklich beenden. Denn das Wichtigste habe ich schon gesagt: Alles vergeht.
Ich schreibe aber weiter, weil ich Ihnen eine ganz andere, unpolitische Geschichte erzählen möchte. Etwas, auf die ich neulich in der „Weltwoche“ aufmerksam wurde. Vielleicht kennen sie den Künstler Damian Hirst. Er gilt seit langem als Bad Boy der Kunstszene. Womöglich haben Sie Fotos seines mit Juwelen bedeckten Totenkopfs gesehen. Der Titel dieses Werkes: „For the Love of God“ (etwa: „Gott zuliebe“ oder „um Gottes willen“). Es handelt sich um den Platinabguss eines Menschenschädels, der mit 8601 Diamanten besetzt wird. Auf der Stirn strahlt – gewissermaßen als Krönung der Sache – ein 52-Karat-Diamant in die Welt. Der tüchtige Künstler hat dieses symbolträchtige Werk für fünfzig Millionen englische Pfund an den Mann gebracht. Ich hätte es nicht gekauft. Meine Hausratsversicherung hätte sich geweigert, einen eventuellen Verlust bzw. Diebstahl hundertprozentig zu decken. Außerdem finde ich das Werk, wenn ich ehrlich bin, zu knallig und glitzrig. Nicht mein Geschmack.
Hirst hat aber 1991 ein anderes sehr bekanntes Werk angefertigt, der den Titel: “The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living” (etwa: „die physische Unmöglichkeit des Todes im Vorstellungsvermögen eines Lebenden“) trägt. Es handelt sich um eine wuchtige Installation, genauer gesagt, um einen präparierten Tigerhai mit dramatisch aufgerissenem Maul, der in einem mit Formaldehyd gefüllten Tank rumdümpelt. Auch nicht, ehrlich gesagt, mein Geschmack. Außerdem hätten wir in der Wohnung nicht den nötigen Platz für so etwas Gigantisches. Einen Liebhaber fand der Künstler für dieses Werk dennoch. Und dieser war bereit, ca. neun Millionen Euro. dafür zu blechen. Immerhin: Einbrecher würden sich sicherlich hüten, so ein Ding mitgehen zu lassen.
Und dann ging’s los: 2006 begann der Tigerhai – seines Formaldehydbads zum Trotz – zu verwesen, ja sich regelrecht zu zersetzen. Der betuchte Sammler war verständlicherweise entsetzt. Seine Wertanlage drohte zu einer giftigen Fischfetzensuppe zu werden, zum Totalverlust also.
Glücklicherweise zeigte der Künstler in der Sache kulant und schenkte dem Sammler prompt einen nagelneuen Haifisch (und wohl frischen Formaldehyd) für den Tank.
Happy End? Ich persönlich bin mir nicht so sicher. Ich frage mich, ob der Sammler – unter diesen Umständen – diese Installation jemals gewinnbringend weiter wird verkaufen können. Schließlich muss man davon ausgehen, dass eines Tages auch der neue Fisch zu stinken anfängt. Zugegeben: Künstler Hirst – Jahrgang 1965 – ist noch relativ jung und könnte kulanterweise den Haifisch mindestens noch zwei- oder gar dreimal austauschen. Doch eines Tages wird auch die physische Unmöglichkeit des Todes im Vorstellungsvermögen eines Lebenden den Künstler selbst heimsuchen. Was dann?
Diese Moritat soll nur eines beweisen: Alles vergeht! Was übrigens auch für die lustigen Videos gilt, die Sie vielleicht vor zwanzig Jahren von den Kindern oder vom Urlaub gedreht haben. Und nicht zu vergessen: Auch die tausende Digi-Fotos auf Ihrer Festplatte haben ein Verfallsdatum.
Und deshalb diese frohe Botschaft heute auch für einen jungen Mann namens Mohammed – falls es ihn gibt – , der sich gern von einem Straßenzeichner porträtieren lassen möchte. Ja, lieber Mo, du bekommst mal dein Bild.
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