Achtung! Achtung! Hier eine Reisewarnung:
Wer mit Überraschungseiern in die Vereinigten Staaten einreist, riskiert Kopf und Kragen.
Okay. Das habe ich etwas übertrieben ausgedrückt. Er riskiert jedenfalls ein saftiges Bußgeld und, wenn alle Striche reißen, kann es vorkommen, dass er tatsächlich hinter den sprichwörtlichen „schwedischen Gardinen“ landet. (Nebenbei: Kein Mensch weiß, warum Gefängnisgitter so heißen – vielleicht wurden sie einst in Schweden hergestellt).
Nein, ich erzähle hier keinen Witz. Überraschungseier – auf Englisch „kinder eggs“ – haben den gleichen Stellenwert in den USA wie Senfgas und Schweizermesser im carry-on-Gepäck. Der Import ist verboten. Warum ausgerechnet Überraschungseier? Weil kleine Kinder an der „Überraschung“ ersticken könnten. Das habe ich jedenfalls in einer Zeitung (oder im Internet) gelesen.
Spontan las ich „kinder“, als handele sich es um die Versteigerungsform von „kind“, also gütig. Gütiger Eier. Das war falsch.
Doch nun zum eigentlichen Thema: die Beschneidung. Über die Vorhaut des männlichen Glieds, Lateinisch „praeputium“, scheiden sich momentan die Geister.
Die Befürworter, hauptsächlich Muslime und Juden, argumentieren, dass ein Verbot dieser uralten religiösen Tradition einer außerordentlichen Beeinträchtigung ihrer religiösen Identität gleiche, was stimmt.
Die Gegner, hauptsächlich aufgeklärte Deutsche männlichen Geschlechts, halten diese Tradition für absurd. Auch das stimmt.
Mein Freund und Kollege Peter Ripota hat für Gegner eine sehr überzeugende Glosse zu diesem Thema verfasst (sie „Links“). Er weist – mitunter – daraufhin, dass dieser uralte Brauch aus einer dunklen Zeit stamme und habe wohl einst entweder als symbolisches Menschenopfer oder als Unterordnungsgeste betreffend einer Gottheit gegolten. Vielleicht hat er recht.
Meine Frau sieht die Sache allerdings ganz anders: Die Gegenden, wo die Beschneidung vorkomme, etwa Ägypten und der Nahe Osten seien wüstenartig. Wasser, so meine Frau, ist also dort Mangelware, was dazu veranlasst, dass Sand etwa bei der Notdurft als Reinigungsmittel verwendet wird. Es wäre auch möglich, dass auch die Beschneidung, mutmaßt meine Frau, lediglich als brauchbare Methode erfunden wurde, um die männliche Intimhygiene zu vereinfachen. Diesen Körperteil mit Sand zu reinigen, wäre alles anders als wünschenswert. Ich halte ihre Idee für plausibel.
Natürlich steckt viel unartikulierte Emotion in der Diskussion über die Beschneidung. Unbeschnittene Männer denken schnell an einen viel radikaleren Schnitt. Was verständlich ist. Eine vermurkste Beschneidung kann tatsächlich unangenehme Folgen haben. Dieses Problem kennt man auch bei Impfungen. „Herumschneidung“ halte ich übrigens für eine genauere Übersetzung des lateinischen „circumcisio“.
Die männliche Beschneidung mit der Verstümmelung von Mädchen zu vergleichen, wie sie in Teilen Afrikas praktiziert wird, ist freilich sehr an den Haaren herbeigezogen. Letzterer Eingriff hat nur den Zweck eine Frau fügig zu machen.
Dennoch prangern Gegner der männlichen Beschneidung diesen Brauch als grausam und schmerzhaft an. Manche munkeln sogar, dass das Empfindungsvermögen des männlichen Gliedes durch dieses Frisieren ziemlich abstumpft. Schreckliche Vorstellung.
Nun wird es persönlicher, liebe Leser. Erstens: Da ich selbst Beschnittener bin, halte ich diese Angst um die betäubte Liebesfähigkeit für eine Mär. Zweitens: Ich habe Beschneidungen mehrmals beigewohnt. Die Kinder, waren ca. acht Tage alt. Zwei Augenblicke werden während dieser Zeremonie schmerzhaft für den Knaben: 1.) die Lockerung der Vorhaut vom Eichel (eine Art Vorbereitung für die eigentliche „Herumschneidung“. Die Sache ist allerdings nach etwa einer halben Minute erledigt. Das Kind beruhigt sich wieder schnell. 2.) der Schnitt selbst, der etwa fünfzehn Minuten später folgt. Auch er ist schnell erledigt – innerhalb einer Minute.
Doch was sind das für Schmerzen? Fakt ist: Säuglinge sind nicht in der Lage, Schmerzen zu lokalisieren oder zu differenzieren. Daran hat mich meine Frau erinnert. Ob Bauchweh, Hunger oder Beschneidung werden Schmerzen von Säuglingen und Kleinkindern nicht unterschieden. (Fragen Sie Ihr zweijähriges Kind, wenn es Halsweh hat, wo genau es wehtut). Die zu beschneidenden Knaben beruhigen sich rasch nach dem Eingriff – und damit meine ich innerhalb einer Minute, schneller als bei Bauchweh. Es ist, als wäre nichts gewesen. Ich habe keine Erfahrungen mit der muslimischen Beschneidung gemacht. Ich gehe davon aus, dass den Kindern, weil älter, eine Lokalanästhesie verabreicht wird.
Ist das Verbot von Überraschungseiern in den USA nicht vielleicht zu radikal? Nicht weniger radikal wäre es, den kleinen Schnitt mit den großen Folgen zu kriminalisieren.
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