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Wieder die E-Bücher – aber diesmal nenne ich Namen

Es gibt kein Zurück: Das Zeitalter der E-Bücher schreitet voran. Eines Tages wird das vertraute Taschenbuch alt aussehen – wie heute meine schöne Leica.

Eines Tages, aber noch nicht. Die Kuh ist noch nicht in trockenen Tüchern – wenn ich meine Metaphern durcheinander bringen darf.

Zuerst aber ein Erfahrungsbericht: Gestern habe ich ein E-Buch fertiggelesen. Es war das erste Mal, dass ich auf meinem Reader ein ganzes Buch vom Anfang bis Ende vertilgt hatte. Fazit: Das Lesen war ganz unproblematisch. Auch meine Frau ist dabei, ein Buch auf ihrem Lesegerät zu lesen. Auch sie findet die Lektüre angenehm – vor allem weil man die Schriftgröße selbst bestimmen kann.

Bei mir aber stehen die Bücher Schlange. Ab gestern war ein Buch, das lange an der Reihe ist, dran: ein Roman mit ca. 930 Seiten. Ein Buch aus Papier, kein E-Buch. Es wiegt leider ca. ein Kilo. Manche weinen beim Gedanken an die E-Bücher das schöne haptische Gefühl des Analogzeitalters nach. Ich hingegen wähne mich bei der Lektüre meines schwergewichtigen Romans im Fitness-Studio. Ade einhändige Lektüre auf dem E-Reader. Hätte ich den Roman nur als E-Buch, denke ich. Leider existiert er in dieser Form nicht, bzw. noch nicht. Und noch ein Problem: Dieser – sehr schöne – Roman nimmt mindestens zehn Zentimeter Regalplatz in Anspruch.

Es hilft kaum, sich in Sentimentalitäten zu schwelgen. Wir leben nun mal im Digitalzeitalter. Zur Erinnerung: Inzwischen haben sich die meisten Menschen leichten Herzens von ihren schönen (und schweren) Analogfotoapparaten verabschiedet. Der Schreibmaschine begegnet man nur noch im Museum oder im muffigen Kellerabteil. „Vinyl“ ist nur mehr die Spezialität einer Nischenbewegung geworden. Heute hört man lieber MP3, Bluetooth usw. Und man spart auch viel Platz in der engen Wohnung.
So schnell wird man die Uhren nicht zurückdrehen.

„Ja, aber das ganze Wissen unseres Zeitalters wird innerhalb fünfzig Jahren, weil digitalisiert, verschwinden. Strom ab und paff!“ Das sagte ich meinem Computer-Guru G. erst vor vier Wochen.

„Aber woher“, antwortete er. „Es ist viel wahrscheinlicher, dass Bücher verschwinden werden. Digital gespeichertes Wissen ist sehr hartnäckig. Die Bücher der Antike wurden in Bibliotheken aufbewahrt und sind deshalb zu 95% zugrunde gegangen, restlos verschwunden. Der Vorteil der Digitalisierung liegt in der Dezentralisierung des Wissens. Irgendwo auf der Welt werden E-Bücher usw. überleben – auch nach einer größeren Katastrophe.“

„Aber was ist“, parierte ich, „wenn keiner in der Lage ist, die Rechner wieder anzuschmeißen?“

„Auch das dürfte kein Problem sein. Informatiker gibt es wie den Sand am Meer.“

G. ist kein Schwärmer. Er verfolgt die Entwicklung der Digitalisierung seit 40 Jahren.

Im Februar 2013 erscheint mein Buch „Kaspar Hausers Geschwister“ bei dtv. Ich habe es für diese Veröffentlichung gründlich überarbeitet, so dass es endlich das Buch wird, das es vor zehn Jahren hätte werden sollen. Dies erzähle ich nicht nur, um Eigenwerbung zu betreiben. Der Verlag wird KHs Geschwister zweigleisig herausgeben: Als Taschenbuch und als E-Buch. Ich bin mit dieser Lösung sehr zufrieden. Wichtig ist nur – und das habe dem Verlag bereits mitgeteilt – , dass die E-Buch-Version gut navigierbar sei.

Aber nun zu den Problemen. Ab jetzt werde ich Namen nennen: Der Sony Reader, z.B., ist nicht in der Lage – zumindest nicht in Deutschland– griechische Texte korrekt darzustellen. Dies entdeckte ich, als ich versuchte, eine zweisprachige Ausgabe von Sappho auf dem Reader zu lesen. Der griechische Text erschien zum Teil als Buchstabensalat. Wer Hebräisch, Arabisch und Russisch auf dem Reader haben will, schaut ebenfalls in die Röhre. Als ich dieses Manko dem Sony-Kundendienst mitteilte, bekam ich die Antwort: „Allein Microsoft betitelt die Fonts auf über 100.000. Und täglich werden neue geschaffen. Sie werden Verständnis haben, dass damit der e-Reader völlig überlastet wäre.“ Meine Antwort: „Ich verlange nur drei oder vier Fonts und keineswegs 100.000.“ Bis Sony in der Lage ist, diverse Schriften in E-Büchern darzustellen, die bei Analogbüchern eine Selbstverständlichkeit sind, kann man das Lesergerät nur begrenzt ernst nehmen.

Der Kindle hingegen kann die von mir erwünschten Schriften korrekt anzeigen. Ein Plus für Amazon. Nur: Beim Kindle weiß der Leser nicht, auf welcher Seite im Buch er sich befindet. Der Kindle zeigt nämlich keine Seitenzahlen an nur Prozentzahlen. Der arme Leser bzw. Leserin, meine Frau, zum Beispiel, weiß nur, dass sie 38% Ihres Buches gelesen hat.

Und dann gibt es noch immer die leidige Frage der Reproduzierbarkeit von E-Büchern. Amazon gönnt dem Leser eine gewisse Anzahl an Kopien, die er dann auf verschiedene eigene, bei Amazon registrierte Lesegeräte überspielen darf. Gleiches gilt für Weltbild, Buecher.de, TXTR usw. Um ein unerlaubtes Kopieren zu verhindern, werden Bücher mit einem DRM-Schutz versehen. Was ist aber, wenn ich ein E-Buch, das ich gekauft habe, weiterverkaufen möchte? Analogbücher kann ich jederzeit weiter verkaufen. Der DRM-Schutz ist ohnehin eine Scheinlösung zu einem Problem. Denn man findet überall im Internet die entsprechende Software, um den DRM-Schutz zu entfernen.

Manche Anbieter, zum Beispiel der amerikanische E-Verleger Delphi Classics, gibt Gesamtwerkausgaben von Autoren, die schon mindestens 70 Jahre tot sind (Fontane, Dickens, Proust usw.) heraus – sowohl in MOBi-Format (also für den Kindle) wie auch in EPUB-Format – dies ohne DRM-Schutz. Was man mit den Büchern macht, ist also jedem frei gestellt.

Dennoch ist es verständlich, dass lebende Autoren, Verlage und Buchhandlungen daran interessiert sind, Urheberrechte zu schützen. Es geht hier schließlich um ein Geschäft. Die Lösung zu diesem heiklen Problem muss selbstverständlich ein anderes sein als im Analogbuchzeitalter.

Auch ich als künftiger E-Buch-Autor will meine Interessen verteidigen. Ich werde über eine Lösung nachdenken.

Noch eine Beobachtung: Amazon hat unter den E-Buch-Anbietern meiner Meinung nach noch immer die Nase vorn. Zunächst, weil das Angebot sehr groß ist. Und ebenso wichtig: Der Käufer kann „ins Buch blicken“. So erfährt er vor dem Kauf, ob die Navigation des E-Buches vernünftig organisiert ist oder nicht. Hier nur ein Wink mit dem Zaunpfahl für die Konkurrenz.

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