Es war schon immer das Privileg der Männer und der Masochisten zu erkunden: „Wie war ich?“
Natürlich hofft man(n) bei dieser Frage auf ein positives Feedback. Etwa: „Du warst toll, du Recke du.“ Masochisten hingegen sehnen sich lieber nach einer negativen Antwort, um dann die aufregende Frage stellen zu dürfen: „Warum?“ oder „Warum nicht?“
Die Wie-war-ich-Frage fällt mir heute ein, weil sie mir neulich zweimal gestellt wurde: einmal von einem Herrn mit einer Stimme, die an einen an Schluckauf Leidenden denken lässt. Er war vom telefonischen Kundendienst einer an dieser Stelle von mir anonymisierten Großfirma; und einmal von einer liebenswürdigen Kundenbetreuerin meiner Bank.
Nein, ich bin weder mit der einen noch der anderen Person ins Bett gegangen. Hier geht es um Wichtigeres.
Zum Beispiel der Mann mit der Stimme wie ein an Schluckauf Leidender. (Damit versuche ich darzustellen, dass seine Tonlage am Ende eines jeden Satzes um mehrere Tonhöhen emporstieg). Von ihm (bzw. seiner Firma) wollte ich wissen, ob es vorgesehen sei, dass E-Reader keine griechischen Texte wiedergeben. Genauer gesagt: Die griechischen Buchstaben meiner Sappho-Ausgabe wurden auf meinem Lesegerät zu einem unentzifferbaren Zeichensalat.
„Das finden wir für Sie herAUS!“ trillerte er. „Sie möchten wissen, warum die griechischen Zeichen nicht zu lesen SIND!“ „Wir rufen Sie zurRÜCK! Oder wir schicken Ihnen eine MAIL!“
Er wollte mir wirklich helfen, und ich war mit seiner Hilfsbereitschaft zufrieden – auch wenn ich bis heute auf den Rückruf noch warte. Erst am Ende des Gesprächs passierte es: „Können Sie mir eine Frage ANTworten!?
“
Ich habe schon geahnt, was er wollte: „Sie möchten, dass ich Ihre Leistung bewerte, oder?“
„Ja! Das ist KorrEKT! Es dauert nur eine MiNUte! Ich werde Sie WEIterleiten! Sie brauchen nur die Bearbeitungsnummer 349935f ANzugeben!“
„Sie waren gut, wirklich. Ausgezeichnet sogar. Ich schwöre es Ihnen. Aber ich will das keinem Roboter übermitteln. Sie zu bewerten halte ich für demütigend. Können Sie das verstehen?“
„SelbstverSTÄNDlich! Es dauert aber nur eine MiNUte! Ich bitte Sie.“ Den letzten Satz hat er plötzlich ganz normal gesprochen. Das hat mich beunruhigt.
Also ließ ich mich weiterleiten, damit ich nicht zum Anlass eines Selbstmords werde. Im Nu war ich mit einem Roboter verbunden. „Hallo! Auf einer Skala von eins, also nicht hilfreich, bis zehn, sehr hilfreich, bewerten Sie bitte unseren Mitarbeiter.“
Ich wurde wie immer, wenn ich mit Robotern rede, schnell ungehalten: „Er war großartig, scheiß Roboter, verstehst du nicht?“
„Es tut mir leid. Ich habe Ihre Antwort nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie Ihre Antwort. Auf einer Skala…“
Usw. Ich will meinen privaten, neurotischen Kampf mit den Robotern nicht in die Länge ziehen.
Und dann war die Geschichte mit der Dame auf der Bank. Ich wollte an dem Tag einen Dauerauftrag stornieren. „Das können Sie auch bei den Bankautomaten“, klärte sie mich freundlich auf.
„Das wusste ich nicht.“
„Möchten Sie es vielleicht ausprobieren?“
„Ja, gerne. Man lernt sich nie aus.“
Sie begleitete mich zum Automaten und zeigte mir, wie das mit dem elektronischen Stornieren geht. Raffiniert. Wirklich raffiniert. Am Schluss kam dann die schüchterne Bitte: „Würden Sie jetzt bitte auf diese Option klicken?“
Die Option hieß „Haben Sie noch Fragen?“ oder so ähnlich.
„Ich weiß schon“, sagte ich. „Ich soll Sie jetzt bewerten. Oder?“
„Eigentlich schon.“
„Sie waren toll“, sagte ich.
„Aber vielleicht könntest Sie das der Maschine mitteilen. Das dauert weniger als eine Minute.“
„Wissen Sie“, sagte ich. „Ich finde diese Sache unangenehm. Sie verlangen von mir, dass ich etwas mache, was Sie letztendlich demütigt.“
„Bitte.“
„Ich gebe Ihnen natürlich nur Bestnoten.“ Und genau das habe ich getan.
Diese telefonischen Bewertungen sind mir neu – zumindest in Deutschland.
Wenn ich in den USA zu Besuch bin, bettelt schon lange jeder telefonische Kundenbetreuer um eine solche Bewertung. Nun ist die Krankheit wohl in Europa eingetroffen.
Also dann: Wie war ich? Habe ich Ihnen dieses schreckliche Phänomen gut erläutert. Teilen Sie es mir auf einer Skala von eins bis zehn bitte mit. Die entsprechenden Formulare sind an jeder Tankstelle erhältlich.
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